27. Juli bis 27. August: Die auf Initiative des russischen Zaren Alexander II. einberufene Brüsseler Konferenz von 1874, an der 15 europäische Staaten teilnehmen, endet mit der Verabschiedung der Deklaration über die Gesetze und Gebräuche des Krieges. Sie legt unter anderem ein Verbot des Einsatzes giftiger Substanzen zur Kriegsführung sowie ein Verbot der Tötung eines wehrlosen oder sich ergebenden Gegners fest. Des Weiteren enthält sie Regeln für Belagerungen und für Bombardierungen. Die Deklaration wird zwar nie völkerrechtlich bindend, wird aber zum Vorbild der Haager Friedenskonferenzen und zur Vorlage für die Haager Landkriegsordnung.
10. Januar: Deutsches Reich: Bei der 2. Wahl zum deutschen Reichstag liegt die Wahlbeteiligung bei ca. 61,2 % und damit deutlich höher als bei der Reichstagswahl 1871. Zum ersten Mal ziehen Abgeordnete aus dem Reichsland Elsaß-Lothringen in den Reichstag ein. Alle 15 elsaß-lothringischen Wahlkreise werden von pro-französischen elsässisch-lothringischen Regionalisten gewonnen. Gewinner der Wahl sind die Nationalliberalen und das Zentrum, Verluste müssen dagegen die Konservative Partei und die Liberale Reichspartei hinnehmen. Die getrennt angetretenen sozialdemokratischen Parteien (SDAP und ADAV) erringen trotz ihrer Differenzen insgesamt neun Mandate. Bei der Parlamentsarbeit zeigen sich bald in vielen Fragen deutliche Übereinstimmungen zwischen beiden Arbeiterparteien. Ungewollt verstärkt auch der Staat durch Repressionsmaßnahmen, die Anhänger beider Parteien treffen, die Tendenz zur Vereinigung noch. Es kommt zu Hausdurchsuchungen und führende Mitglieder beider Parteien wie Wilhelm Hasenclever und Johann Most werden verhaftet. In Preußen wird der ADAV, in Bayern die SDAP verboten. Die Verhandlungen der beiden Parteien über eine Vereinigung beginnen Mitte Oktober.
26. Februar: 30 grundbesitzende Adlige aus den preußischen Provinzen Brandenburg, Pommern, (Ost-)Preußen, Sachsen und Schlesien gründen in Berlin die Deutsche Adelsgenossenschaft. Sie soll dem als verderblich angesehenen Liberalismus der Zeit entgegenwirken und ein konservatives Gegengewicht setzen.
4. Mai: Der Reichstag verabschiedet das Expatriierungsgesetz, eines der sogenannten Maigesetze. Es erlaubt „renitenten“ Geistlichen, das sind solche, die sich an bestimmte gesetzliche während des preußischen Kulturkampfs erlassene Gesetze nicht halten, Aufenthaltsbeschränkungen bis hin zur Landesverweisung aufzuerlegen.
1. Juli: Das am 7. Mai beschlossene Gesetz über die Presse (Reichspreßgesetz (RPG)) tritt in Kraft. Es regelt das Presserecht und ist in Teilen bis 1966 gültig.
13. Juli: Der 20-jährige BöttchergeselleEduard Kullmann, ein radikaler Katholik, verübt in Bad Kissingen ein erfolgloses Attentat auf Reichskanzler Otto von Bismarck. Der Opernsänger José Lederer kann den Attentäter festhalten, der im folgenden Prozess zu 14 Jahren Zuchthaus verurteilt wird.
1. Oktober: Im Rahmen des Kulturkampfes wird in Preußen durch Schaffung des staatlichen Standesamts die obligatorische Zivilehe eingeführt.
März: Das Bureau of Indian Affairs gründet gemeinsam mit der Armee im Bundesstadt Nebraska das Fort Robinson. Die dort stationierten Soldaten sollen eigentlich die Einhaltung des Vertrags von Fort Laramie durchsetzen und das vertragswidrige Eindringen von weißen Jägern, Glücksrittern, Goldsuchern und Siedlern auf das Indianerland der Great Sioux Nation unterbinden. Im gleichen Jahr schickt die US-Regierung allerdings eine Expedition unter dem militärischen Schutz von George Armstrong Custer in die Black Hills, bei der dort Gold entdeckt wird. Der daraufhin in den Black Hills einsetzende Goldrausch führt im folgenden Jahr schließlich zum Krieg.
In Louisiana wird die White League gegründet, eine paramilitärische rassistische Organisation von weißen Bewohnern mit dem Ziel, sich gegen die Reconstruction zur Wehr zu setzen. Schwarze sollen eingeschüchtert und Mitglieder der Republikanischen Partei aus ihren Ämtern getrieben werden. Am 4. September liefern sich 5.000 Mitglieder der White League eine Schlacht mit 3.500 Polizisten der Stadt New Orleans und bringen in der sogenannten Schlacht vom Liberty Place den Regierungssitz des republikanischen Gouverneurs William P. Kellogg in ihre Gewalt. Sie verfolgen Kelloggs Absetzung und die Ernennung des Kandidaten der Demokratischen ParteiJohn McEnery an seiner Stelle. Kellogg bittet US-Präsidenten Ulysses S. Grant um Hilfe, der daraufhin Truppen nach New Orleans schickt. Nach drei Tagen haben diese die alten Machtverhältnisse wiederhergestellt. Bei den Kämpfen verlieren 100 Menschen ihr Leben.
25. November: In Indianapolis findet der Gründungsparteitag der Independent National Party statt. Gegründet wird die sogenannte Greenback Party hauptsächlich von Landwirten, die während der Panik von 1873 finanziell zu Schaden gekommen sind. Die Partei kündigt an, größere Mengen Geld zu emittieren, im Glauben, dies würde vor allem den Farmern helfen, höhere Preise zu erzielen und Schulden leichter bezahlen zu können.
6. April: Ignacio María González wird Präsident der Dominikanischen Republik. Aufgrund innerer Unruhen nimmt er ab dem 10. September wie im Vorjahr als Oberster Führer besondere Regierungsvollmachten wahr. In seine zweijährigen Regierungszeit versucht er die wirtschaftlichen und sozialen Beziehungen zum Nachbarland Haiti aber auch zur vorherigen Kolonialmacht Spanien auszubauen. Dabei bemüht er sich um eine Legalisierung der Handelsbeziehungen durch den Abschluss eines Vertrages. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Annullierung der Vereinbarung seines Vorgängers Buenaventura Báez mit der Samaná Bay Company, um die volle Souveränität der Dominikanischen Republik über die Bucht von Samaná und die Halbinsel von Samaná zurückzuerlangen. Letztlich ist seine Regierung jedoch durch eine Zeit großer Instabilität geprägt, die die junge Zweite Republik belasten.
Auf Rat US-amerikanischer Militärberater entsendet die japanische Regierung am 17. Mai als Reaktion auf die Ermordung von 54 Besatzungsmitgliedern eines Handelsschiffes der Ryūkyū-Inseln durch die Paiwan an der Südwestspitze Taiwans im Dezember 1871 eine Strafexpedition nach Taiwan. Die von Saigō Tsugumichi geführte Expedition der Kaiserlich Japanischen Armee erreicht Taiwan am 22. Mai. Bei den darauf folgenden Kampfhandlungen kommen etwa 30 Paiwan und 12 Japaner ums Leben. Allerdings sterben 531 Expeditionsmitglieder an Krankheiten. Nach Reparationszahlungen durch China ziehen sich die Japaner im Dezember wieder zurück.
20. Januar: Britisches Weltreich: Auf einem britischen Kriegsschiff wird zwischen Andrew Clarke für Großbritannien und Raja Abdullah den Vertrag von Pangkor. Die Briten erkennen Abdullah gegen seinen Konkurrenten als neuen Sultan Abdullah Muhammad Shah II von Perak und erhalten dafür die Möglichkeit umfangreicher politischer und wirtschaftlicher Einflussnahme in dem malaiischen Staat.
18. März: Das Königreich Hawaiʻi unterzeichnet ein Handelsabkommen mit den USA, welches exklusive Handelsrechte gewährt.
15. September – 9. Oktober: Im Rathaus zum Äusseren Stand von Bern unterzeichnen am letzten Tag des Ersten Weltpostkongresses Vertreter von 22 Staaten auf Vorschlag des deutschen Generalpostdirektors Heinrich von Stephan den Vertrag, betreffend die Gründung eines allgemeinen Postvereins. Dieser zählt damit zu den ältesten Internationalen Organisationen. Der Vertrag wird schließlich von Ägypten, Belgien, Dänemark, Deutschland, Griechenland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Österreich-Ungarn, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden, die Schweiz, Serbien, Spanien, die Türkei, das Vereinigte Königreich und den Vereinigten Staaten von Amerika ratifiziert und tritt am 1. Juli 1875 in Kraft.
1. Juli: Das in den Schreibmaschinenvertrieb expandierende Unternehmen Remington Arms bringt die SchreibmaschineRemington No. 1 auf den Markt. Dabei handelt es sich um das von Christopher Latham Sholes mitentwickelte Modell Sholes & Glidden Type-Writer.
5. Mai: Der örtliche Unternehmer Alpheus Blake gründet die Boston, Revere Beach and Lynn Railroad. Die in der Spurweite von 914,40 mm (3 foot) ausgeführte Strecke führt ab dem folgenden Jahr entlang des Erholungsgebietes am Atlantikstrand der Massachusetts Bay von East Boston zur aufstrebenden Industriestadt Lynn. In East Boston besteht ein unternehmenseigener Fährverkehr zu den Rowes Wharf in Boston.
Oktober: Julius Rodenberg gründet die Deutsche Rundschau, eine literarische und wissenschaftliche Zeitschrift, die monatlich im Gebrüder Paetel Verlag erscheint und die deutsche Politik sowie Literatur und Kultur zeitweilig maßgeblich beeinflussen wird.
24. Dezember: In Bielefeld wird die Maschinenfabrik August Göricke gegründet, die mit der Zeit zu einem der bedeutendsten deutschen Fahrradhersteller avancieren wird.
Robert Schindler gründet in Luzern das Unternehmen Schindler Aufzüge.
Die Cape Government Railways, die erste staatliche Bahngesellschaft im heutigen Südafrika, wird gegründet, als die Regierung der Kapkolonie vier Privatbahnen in und um Kapstadt übernimmt.
Februar: Victor Hugo veröffentlicht in drei Bänden seinen letzten Roman 1793.
Vier Jahre nach dem Tod des unter dem Pseudonym Comte de Lautréamont schreibenden Isidore Lucien Ducasse veröffentlicht der Brüsseler Buchhändler Jean-Baptiste Rozez dessen Hauptwerk Die Gesänge des Maldoror, das heute als eines der radikalsten Werke der abendländischen Literatur gilt, ohne dass es allerdings auf merkliche Resonanz stößt.
Thomas Hardy veröffentlicht im Cornhill Magazin in Fortsetzungen seinen vierten Roman Far from the Madding Crowd (Am grünen Rand der Welt). Damit beginnen seine später sehr berühmt gewordenen sogenannten „Wessex-Romane“.
1. Juli: Nach 15-jähriger Verzögerung wegen des Bürgerkriegs wird der Philadelphia Zoo am Westufer des Schuylkill River als erster echter Zoo in den Vereinigten Staaten und der gesamten „Neuen Welt“ eröffnet. Der Zoo beginnt mit verschiedenen Ausstellungskäfigen und 200 Säugetieren, unter anderem Büffeln, Hirschen, Wölfen, Füchsen, Bären, und Affen, sowie 67 Vogelarten und 15 Reptilien. Am Eröffnungstag besuchen 3.000 Menschen den Zoologischen Garten.
17. November: Bei dem durch ein Feuer an Bord ausgelösten Untergang des britischen SegelschiffsCospatrick im Südatlantik sterben 467 Menschen. Fünf Überlebende, von denen zwei nach der Rettung sterben, werden nach zehn Tagen gerettet, nachdem sie sich durch Kannibalismus am Leben erhalten haben.
31. Januar: Enno Wilhelm Hektor, deutscher Autor sozialkritischer Bücher, von Gedichten und Theaterstücken (* 1820)
02. Februar: Lukas Jäger, praktischer Arzt, konservativ-katholischer Publizist, Gründer der „Konservativen und Großdeutschen Partei“ in der Pfalz (* 1811)
03. Februar: John Prince-Smith, Volkswirt und Manchesterliberaler in Deutschland (* 1809)