Vermutlich kommt die Gestalt des Adonis aus dem semitisch-sprachigen Raum, weil sein Name von nordwestsemitisch Adon „Herr“ abgeleitet ist. Nach anderer Auffassung ist er ursprünglich eine phrygische Gottheit, deren Mythos aber schon früh rund um das Mittelmeer verbreitet war. Er ist auch sehr dem Inanna/Dumuzi-Mythos ähnlich. In Etrurien, wo er oft als Begleiter von Turan dargestellt wurde, war Adonis unter dem Namen Atunis bekannt.
In der griechischen Mythologie ist Adonis das Sinnbild der Schönheit und der Vegetation und einer der Geliebten der Aphrodite (oder ihrer römischen Entsprechung Venus). Er wird als wunderschöner Jüngling beschrieben.[2] Ihre Liebe musste Aphrodite allerdings mit Persephone teilen. Zeus verfügte, dass Adonis jeweils den dritten Teil seiner Zeit bei Aphrodite oder Persephone leben sollte. Über das restliche Drittel konnte er frei verfügen.[3]
Nachdem der eifersüchtige Ares (oder seine römische Entsprechung Mars), der sich in einen wütenden Eber verwandelt hatte,[4] Adonis verfolgt und schwer verwundet hatte, starb Adonis in den Armen Aphrodites. Diese ließ sein auf die Erde tropfendes Blut sich zu einem roten Adonisröschen (Adonis flammea) verwandeln und richtete Spiele zu Gedenken des Toten ein.[5]
Es gibt verschiedene Fassungen dieses Mythos, bei denen Adonis stirbt, ohne sich mit Aphrodite zu vereinigen, und sein Blut Blumen oder einen Fluss im Frühjahr rot färbt.[6] An Stelle von Ares/Mars erscheint auch Apoll.
Zur Abstammung des Adonis existieren unterschiedliche Versionen:
Sohn der Myrrha (Smyrna) und ihres Vaters, König Kinyras von Assyrien. Weil Myrrha Aphrodite nicht gebührend huldigte, wurde sie von der Liebesgöttin in blinde Liebe zu ihrem Vater versetzt. Mit der Hilfe ihrer Amme gelang es Myrrha, sich ins Schlafgemach ihres Vaters zu schleichen, ohne dass dieser sie erkannte. Als die Wahrheit ans Licht kam und sich der Vater des begangenen Inzests bewusst wurde, wollte er seine Tochter töten. Diese wurde jedoch von den Göttern in einen Myrrhenbaum verwandelt. Der Baum sprang nach zehn Monaten auf und brachte Adonis hervor, der von Nymphen aufgezogen wurde.[7]
Nach Adonis als Sinnbild eines Schönheitsideals ist der Adonis-Komplex benannt. Dagegen bezieht sich der deutsche Name frühe Adonisjungfer für Pyrrhosoma nymphula weniger auf deren Gestalt als auf ihre – blutroten Blüten von Adonisröschen wie Adonis aestivalis ähnliche – Färbung.
Jutta Weiser: Adonis. In: Maria Moog-Grünewald (Hrsg.): Mythenrezeption. Die antike Mythologie in Literatur, Musik und Kunst von den Anfängen bis zur Gegenwart (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band 5). Metzler, Stuttgart/Weimar 2008, ISBN 978-3-476-02032-1, S. 15–26.