Ein Apostolischer Nuntius (lateinisch „päpstlicher Bote“) ist der bei der Regierung eines anderen Staates akkreditierte Botschafter des Heiligen Stuhles (also der Gesamtheit der obersten Leitungsorgane der katholischen Kirche, in deren Zentrum der Papst steht, als Völkerrechtssubjekt).
Der Nuntius nimmt als Diplomat darüber hinaus auch die Interessen des Staates Vatikanstadt wahr und vertritt den Papst als Kirchenoberhaupt gegenüber den Ortskirchen des entsprechenden Landes.
Der Sitz eines Nuntius wird Apostolische Nuntiatur genannt.
Die römischen Päpste entsenden seit dem 4. Jahrhundert Botschafter, anfangs als päpstliche Legate. Diese wurden im 11. und 12. Jahrhundert zu Kardinälen erhoben. Die ersten Nuntiaturen entstanden ab dem frühen 16. Jahrhundert zunächst in Spanien, Frankreich, Venedig und dem Heiligen Römischen Reich.
Ein Apostolischer Nuntius bekleidet seit Ende des Dreißigjährigen Krieges für gewöhnlich den Rang eines Titularerzbischofs mit dem Prädikatstitel Hochwürdigste Exzellenz. Papst Johannes XXIII. verfügte, dass alle Nuntien zu Bischöfen zu weihen seien, sofern sie es nicht bereits waren.[1]
Die juristische Basis im Codex Iuris Canonici sowie die historische Genese des Amtes lassen darauf schließen, dass der Apostolische Nuntius primär eine geistliche Funktion hat:
„Der Apostolische Nuntius ist zugleich Priester und Diplomat. So wie der Heilige Vater sowohl eine geistliche als auch eine weltliche Position in einem Amt vereinigt, wobei der Primat im Ersteren liegt (suprema lex salus animarum), so erfüllt auch der Apostolische Nuntius primär nicht eine zwischenstaatliche, sondern eine innerkirchliche Funktion“[2]
Seit dem Wiener Kongress 1815 steht der Apostolische Nuntius im Rang eines Botschafters. Außerdem vertritt er den Papst bei den jeweiligen Bischofskonferenzen. Ein Nuntius muss wie jeder Diplomat vom aufnehmenden Staat akkreditiert werden.
Ist der Gesandte des Papstes nicht beim Staatsoberhaupt oder bei der Regierung des Aufnahmestaates akkreditiert, sondern pflegt nur den Kontakt zu den kirchlichen Institutionen und Personen, so heißt er Apostolischer Delegat. Päpstliche Diplomaten, die zu internationalen Organisationen entsandt werden, heißen Ständige Beobachter des Heiligen Stuhls und entsprechen den weltlichen Ständigen Vertretern.
In vielen Staaten (zum Beispiel in Deutschland) ist der Nuntius aufgrund eines Konkordats Doyen (französisch für Dekan) des Diplomatischen Korps und hat als primus inter pares einige Ehrenrechte. Dies geht auf den lang anhaltenden Streit der Staaten zurück, wem der erste Platz einzuräumen sei. Man löste dies durch das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen, in dem man dem Vertreter des Papstes dieses Vorrecht einräumte.
Der Doyen spricht bei offiziellen Anlässen als Vertreter des gesamten diplomatischen Korps und vertritt insbesondere die Interessen der kleineren Staaten.
Der Apostolische Nuntius ist der diplomatische Vertreter des Papstes in Ländern, mit denen der Heilige Stuhl offizielle diplomatische Beziehungen unterhält. Er entspricht im diplomatischen Sinne dem Rang eines außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafters. Die Amtszeit des Apostolischen Nuntius beträgt fünf Jahre.
Die Bezeichnung Pro-Nuntius war ursprünglich jenen Nuntien vorbehalten, welche bereits im Rang eines Kardinals standen. Der gemäß Protokoll einem Prinzen von Geblüt gleichkommende Rang eines Kardinals war sowohl in als auch außerhalb der päpstlichen Kurie eindeutig höher als der eines diplomatischen Missionschefs, daher war es unüblich, Kardinäle auf einen Nuntiaturposten zu entsenden. Sollte zum Beispiel ein Nuntius kurz vor Ende seiner Mission den Purpur erhalten haben, konnte dennoch für eine Übergangsfrist seine Tätigkeit als Nuntius, zum Beispiel zum Abschluss von Verhandlungen, erforderlich sein. Dieser (vor Kurzem kreierte) Kardinal agierte quasi „an Stelle“ (lat.: „pro“) eines Nuntius. Pro-Nuntien dieser Art waren sehr seltene Ausnahmen in besonderen Situationen.
Im Gefolge der Kurienreformen, ökumenischer Bestrebungen und insbesondere der päpstlichen Osteuropapolitik nach dem II. Vatikanischen Konzil kam es zu einer Neudefinition dieses Titels. Da es durch die vorsichtige Öffnung gegenüber den Ostblockstaaten zwar zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen kam, diese ebenso wie traditionell nichtkatholische, insbesondere islamisch dominierte Staaten aber eine Doyenstellung des Nuntius ablehnten, wurde 1965 der Titel Pro-Nuntius als Bezeichnung für einen apostolischen Nuntius ohne automatische Stellung als Doyen quasi neu geschaffen. Diese Bezeichnung blieb bis 1991 in Kraft. Danach wurden alle Pro-Nuntien in Nuntien umgewandelt, sodass der Titel „Apostolischer Nuntius“ nichts über die Stellung als Doyen aussagt.
Ursprünglich wurden Gesandte des Papstes, die übergangsweise damit betraut waren, den Heiligen Stuhl zu vertreten, mit diesem Titel bezeichnet. Im 19. Jahrhundert wurde er gelegentlich für besonders kleine Missionen, wie zum Beispiel in Südamerika, verwandt. Der Internuntius stand im diplomatischen Protokoll nach den Botschaftern an der Spitze der Gesandten, was in jenen Staaten, welche ausschließlich Gesandte als Missionschefs akkreditierten, dazu führte, dass dem Internuntius faktisch die Stellung eines Doyens des Diplomatischen Korps zukam. Da in „Kleinstaaten“ ab Mitte des 20. Jahrhunderts die Ernennung von Botschaftern üblich wurde, kam die schon zuvor äußerst seltene Ernennung von Internuntien außer Gebrauch.
Wiederholt kamen päpstliche Sondergesandte an den Hof der Kölner Kurfürsten. Zur ständigen Einrichtung wurde die Kölner Nuntiatur jedoch erst 1584. Über Jahrzehnte stand der Reformgedanke des Trienter Konzils (1545–1563) im Vordergrund von deren Arbeit. Zu den wenigen herausragenden Ereignissen der Kölner Nuntiatur zählen gelegentliche Reisen der Nuntien zu Reichstagen (1594 und 1622), zu den Kaiserwahlen nach Frankfurt (1612 und 1658) und die Teilnahme an den Friedenskongressen in Münster (1644–1648), Aachen (1668), Köln (1673–1674) und Utrecht (1713). Der Einzugsbereich der Kölner Nuntiatur umfasste die Diözesen Würzburg im Süden, Osnabrück, Paderborn und Hildesheim im Nordosten sowie Lüttich im Westen. Zwar zählten die nordischen Missionsgebiete in Nord- und Mitteldeutschland, zeitweise auch Schweden und Dänemark, juristisch zum Sprengel, im Kern galt jedoch das Interesse den drei geistlichen Kurerzbistümern Mainz, Trier und Köln. Beendet wurde die Nuntiatur infolge der Besetzung der Stadt Köln durch die Franzosen 1795.
Die Apostolische Nuntiatur in München wurde 1785, auf dem Höhepunkt des sog. Nuntiaturstreits, gegründet und nach wenigen Jahren des Bestehens im Jahr 1800 aufgelöst. Sie wurde 1818 wiedererrichtet und 1934 endgültig aufgehoben. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es seitens der Bayerischen Staatsregierung vergebliche Bemühungen, erneut diplomatische Beziehungen mit dem Vatikan zu unterhalten.
Das Deutsche Reich unterhielt – nach einem Befehl von Adolf Hitler – nur für das Gebiet des „Altreiches“ diplomatische Beziehungen mit dem Vatikan. Da der Vatikan noch einen – vor der Besetzung akkreditierten – Nuntius in Polen hatte (1936–1947 Filippo Cortesi, Titularerzbischof von Siraces, 1943–1953 geschäftsführend William Godfrey, Titularerzbischof von Cio) und eine Anerkennung der Besetzungen bzw. Anschlüsse ans Reich bis zur Beendigung von Kriegshandlungen ablehnte, argumentierte Hitler, dass zum Beispiel die von ihm besetzten polnischen Gebiete (die nach Ansicht des Vatikans nach wie vor zu Polen gehörten) sowie die östlichen Anschlussgebiete (die Reichsgaue Danzig-Westpreußen, Wartheland, Sudetenland) nicht unter die Regelungen des Reichskonkordats fallen würden, somit der in Deutschland akkreditierte Nuntius Cesare Orsenigo (1930–1945) für diese Gebiete nicht zuständig sei. In diesen Gebieten wurden von den Nationalsozialisten jedoch keine Nuntien oder ähnliche Einrichtungen zugelassen; zuständig dafür waren von deutscher Seite der Leiter der NSDAP-Parteikanzlei (Martin Bormann), von kirchlicher Seite die örtlichen Kardinäle, Bischöfe usw. Inoffiziell gab es in humanitären Angelegenheiten dennoch Kontakte zwischen Orsenigo und dem deutschen Außenministerium.
Die Apostolische Nuntiatur hatte ihren Sitz zunächst in Bonn. Residenz war der Turmhof in Bad Godesberg-Plittersdorf. Nach dem Regierungsumzug nach Berlin zog auch die Apostolische Nuntiatur im Jahr 2001 in die Lilienthalstraße in Berlin-Neukölln um.
Die Nuntiatur in Wien gilt als die älteste ständige Einrichtung dieser Art (am Hof König Ferdinands I. eingerichtet 1529).
Die 1987 eingerichtete Apostolische Nuntiatur für Liechtenstein wird stets durch den Apostolischen Nuntius der Schweiz mitverwaltet.
1910 als Internuntiatur begründet, wurde sie am 9. Mai 1969 in den Rang einer Nuntiatur versetzt. Bis heute wird sie stets durch den Apostolischen Nuntius von Belgien mitverwaltet.
Als Internuntiatur begründet, wurde am 29. November 1911 der erste Internuntius ernannt. Seit dem 22. Juli 1967 zur Nuntiatur erhoben, wurde sie jedoch bis 1992 stets nur mit einem Pro-Nuntius besetzt.
Der Vatikan ist zwar ein allgemein anerkannter Staat, aber nicht Mitglied der Vereinten Nationen. Der ihn vertretende Heilige Stuhl, ein nichtstaatliches, eigenständiges, vom Staat der Vatikanstadt zu unterscheidendes Völkerrechtssubjekt, ist aber seit 1964 durch einen „ständigen Beobachter“ im Rang eines Erzbischofs an den UN-Sitzen in New York und Genf sowie bei den UN-Unterorganisationen vertreten, seit 1948 bei der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO, seit 1951 bei der UNESCO.
Der Grund dafür ist Wahrung der Neutralität und die Vermittlerrolle des Vatikans vor allem bei kriegerischen Auseinandersetzungen.