Dabru Emet (hebräisch דברו אמת ‚Redet Wahrheit‘, nach Sach 8,16 EU) ist ein Dokument, das sich aus jüdischer Perspektive mit dem Christentum beschäftigt und so zum interreligiösen Dialog Stellung bezieht. Es wurde von US-amerikanischen Juden verfasst und von über 220 Rabbinern und jüdischen Intellektuellen unterzeichnet, die verschiedensten Strömungen des modernen Judentums anhangen, versteht sich aber nicht als offizielle Erklärung irgendeiner jüdischen Organisation oder Strömung. Dabru Emet wurde erstmals am 10. September 2000 in der New York Times und der Baltimore Sun veröffentlicht.
Dabru Emet erkennt an, dass das Judentum von Christen reflektierter gewürdigt und nicht mehr als bloße „Vorläuferreligion“ abgewertet wird, und möchte darauf antworten. Die acht Thesen lauten (Zitate nach der Übersetzung von Christoph Münz):[1]
„Juden und Christen beten den gleichen Gott an.“ Dies ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Schöpfer des Alls.
„Juden und Christen stützen sich auf die Autorität ein und desselben Buches“, nämlich der Tanach bzw. das Alte Testament, wenngleich sie diese Schrift in manchen Punkten unterschiedlich auslegen.
„Christen können den Anspruch des jüdischen Volkes auf das Land Israel respektieren.“ Der Staat Israel wird von Christen anerkannt in der Bedeutung, welcher dieser für viele Juden hat; die Juden verpflichten sich auch in Israel zu Gerechtigkeit gegenüber allen dortigen Nichtjuden.
„Juden und Christen anerkennen die moralischen Prinzipien der Tora.“ Dazu zählt insbesondere die unantastbare Menschenwürde, die der Mensch als Abbild Gottes verliehen ist; diese Heiligkeit des Menschen können beide Religionen gemeinsam in der Welt bezeugen.
„Der Nazismus war kein christliches Phänomen.“ In der langen Geschichte des christlichen Antijudaismus wird eine – aber nicht die einzige – Quelle für den Nationalsozialismus gesehen; gleichwohl werden christliche NS-Gegner gewürdigt. Angesichts der Anstrengungen in der christlichen Theologie, eine Verachtung des Judentums klar zurückzuweisen, klagen Juden heute nicht Christen für die Verfehlungen ihrer Vorfahren an.
„Der nach menschlichem Ermessen unüberwindbare Unterschied zwischen Juden und Christen wird nicht eher ausgeräumt werden, bis Gott die gesamte Welt erlösen wird, wie es die Schrift prophezeit.“ Beide Religionen sehen sich in Treue zu ihrer Offenbarung und Tradition und respektieren die jeweils andere.
„Ein neues Verhältnis zwischen Juden und Christen wird die jüdische Praxis nicht schwächen.“ Vielmehr vertieft der Dialog auch die eigenen jüdischen Wurzeln, er beschleunigt nicht die zu Recht befürchtete Assimilierung von Juden in ihrer Umwelt.
„Juden und Christen müssen sich gemeinsam für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen.“
Radikale Ablehnung erfuhr das Dokument von dem jüdischen Theologen Jon D. Levenson, der darin eine „Gefahr für die jüdische Praxis und Identität“ sieht und keinen interreligiösen Dialog anstrebt.[3] Auch andere Vertreter unterschiedlicher Strömungen des Judentums übten Kritik, etwa Jacob Neusner und Hillel Goldberg.[4]
Die Lutherische Europäische Kommission Kirche und Judentum (LEKKJ), in der 25 lutherische Kirchen in Europa vertreten sind, würdigte Dabru Emet vor dem Hintergrund der protestantischen Aufarbeitung des Antijudaismus in einer Stellungnahme von 2003.[5] 2005 folgte ein längerer Diskussionsbeitrag durch deutsche evangelische Gremien.[6] Auch die katholische Kirche würdigte das Dokument als Meilenstein.
Rainer Kampling, Michael Weinrich (Hrsg.): Dabru emet – redet Wahrheit. Eine jüdische Herausforderung zum Dialog mit den Christen. Chr. Kaiser, Gütersloher Verlags-Haus, Gütersloh 2003, ISBN 3-579-05196-2.
Erwin Dirscherl, Werner Trutwin (Hrsg.): Redet Wahrheit – Dabru Emet. Jüdisch-christliches Gespräch über Gott, Messias und Dekalog (= Forum Christen und Juden. Band 4). Lit, Münster 2004, ISBN 3-8258-7949-6.
↑Hannah Holtschneider: Dabru Emet und jüdische Interpretationen des Christentums. In: Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit (Hrsg.): Dialog. Christlich-jüdische Informationen = Du-śiaḥ. (Dialog-DuSiach). Band62, Januar 2006, ISSN1816-6431, S.18–41 (christenundjuden.org; Memento im Internet Archive vom 10. Oktober 2015 [abgerufen am 10. August 2018] Vortrag bei einem Colloquium zu Dabru Emet am Zentrum für Jüdische Kulturgeschichte der Universität Salzburg [undatiert; 2003 oder später]; mit Bibliographie zur Rezeption bis 2004, hauptsächlich bis 2002).
↑Scan der New York Times. In: icjs.org. Institute for Islamic • Christian • Jewish Studies, Baltimore, MD, abgerufen am 10. August 2018 (icjs.org [Memento vom 22. Oktober 2015 im Internet Archive; PDF; 148 kB]).