Strukturformel | ||||||||||||||||
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Allgemeines | ||||||||||||||||
Name | Ethen (IUPAC) | |||||||||||||||
Andere Namen |
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Summenformel | C2H4 | |||||||||||||||
Kurzbeschreibung |
hochentzündliches, farbloses Gas mit schwach süßlichem Geruch[1] | |||||||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | ||||||||||||||||
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Eigenschaften | ||||||||||||||||
Molare Masse | 28,05 g·mol−1 | |||||||||||||||
Aggregatzustand |
gasförmig, fluid bei Transport | |||||||||||||||
Dichte |
1,178 kg·m−3 (15 °C)[1] | |||||||||||||||
Schmelzpunkt | ||||||||||||||||
Siedepunkt |
−103,8 °C[1] | |||||||||||||||
Dampfdruck | ||||||||||||||||
Löslichkeit |
sehr schlecht in Wasser (130 mg·l−1)[1] | |||||||||||||||
Dipolmoment |
0[2] | |||||||||||||||
Sicherheitshinweise | ||||||||||||||||
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MAK |
Schweiz: 10000 ml·m−3 beziehungsweise 11500 mg·m−3[4] | |||||||||||||||
Thermodynamische Eigenschaften | ||||||||||||||||
ΔHf0 |
52,4 kJ/mol (Gas)[5] | |||||||||||||||
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). |
Ethen (auch Äthen, Ethylen oder älter Äthylen) ist eine gasförmige, farblose, hochentzündliche, süßlich riechende organische Verbindung mit der Summenformel C2H4. Es handelt sich um das einfachste Alken, einen ungesättigten Kohlenwasserstoff mit einer Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindung.
Mit einer Jahresproduktion von über 100 Millionen Tonnen ist Ethen die meistproduzierte organische Basischemikalie. Ethen ist ein wichtiger Baustein, der in der chemischen Industrie zur Herstellung einer Vielzahl von Folgeprodukten verwendet wird. Etwa die Hälfte des Ethens wird für die Produktion von Polyethylen und anderen Polyolefinen verwendet. Weitere großtechnisch hergestellte Folgeprodukte sind Ethylenoxid, Styrol, Vinylchlorid, Ethanol oder α-Olefine.
Großwirtschaftlich wird Ethen durch Steamcracken einer Vielzahl von Kohlenwasserstoffen hergestellt. In Europa und Asien wird Ethen hauptsächlich auf Naphtha- oder Gasöl-Basis hergestellt, in den Vereinigten Staaten, Kanada und im Nahen Osten zudem aus Ethan, Propan und Flüssiggas. Andere Verfahren wie das Methanol-to-Olefins-Verfahren oder die Fischer-Tropsch-Synthese bieten die Möglichkeit, Ethen aus Erdgas, Kohle, Erdölprodukten oder Biomasse zu gewinnen. Die Ethenherstellung auf Basis von Bioethanol bietet die Möglichkeit, Ethen aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen. Im Vergleich zum Steamcracken haben diese Verfahren jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung.
Ethen ist ein Pflanzenhormon, das viele Aspekte der pflanzlichen Morphogenese reguliert und für die Beschleunigung der Reifung klimakterischer Früchte verantwortlich ist. Bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe, bei Waldbränden oder der Verbrennung von Ernterückständen entsteht Ethen, in Städten sind Kraftfahrzeugabgase eine Quelle für Ethen in der Umgebungsluft. Das Einatmen von Ethen in hohen Konzentrationen kann beim Menschen zu Sehstörungen und narkotischen Wirkungen führen. In Gegenwart von Oxidationsmitteln wie Ozon oder Chlor kann Ethen explosiv reagieren.
Die Bezeichnung Ethylen ist in Nordamerika und Europa gebräuchlich, die offizielle IUPAC-Bezeichnung lautet jedoch Ethen. In den IUPAC-Nomenklaturregeln von 1979 wurde der Name Ethylen zunächst belassen, diese Entscheidung wurde jedoch 1993 rückgängig gemacht. In der IUPAC-Nomenklatur ist der Name Ethylen für die Gruppe –CH2CH2– reserviert.[6] Daher sind Bezeichnungen wie Ethylenoxid oder Ethylendibromid zulässig und üblich.
Im alten Ägypten wurde Ethen unbewusst zum Reifen von Maulbeer-Feigen genutzt. Dazu wurde einige Feigen angeritzt, um einen ganzen Strauch reifen zu lassen.[7] Im alten China wurden Räucherstäbchen, die beim Verbrennen geringe Mengen Ethen freisetzen, in einem Lagerraum für Birnen abgebrannt, um die Früchte reifen zu lassen.[8]
Möglicherweise war Ethen Bestandteil eines Gasgemisches aus Kohlenwasserstoffen und Kohlenstoffdioxid, das im Adyton des Apollon-Tempels in Delphi austrat und die Pythia in Trance versetzte, die daraufhin die Orakelsprüche des Gottes verkündete.[9] Dies wurde bereits von Cicero beschrieben, der in seinem Werk De divinatione (Über die Weissagung) auf die Existenz dieser Gase hinwies: „Im Übrigen meine ich, dass es auch gewisse Ausdünstungen der Erde gab, die in den Geist eindrangen, so dass er Orakel ausstieß.“[10] Das Erwachen aus der Trance soll schnell erfolgt sein, und außer dem Gefühl, vom Gott Apollon besessen zu sein, hatte Pythia keine Erinnerung an die Ereignisse während der Trance. Diese Wirkungen ähneln denen, die von Toxikologen für Patienten unter leichter Ethen-Narkose beschrieben wurden.[9]
Die erste Erwähnung von Ethen als Gas findet sich im Jahr 1669 in dem Werk Actorum Laboratorii Chymici Monacensis, seu Physicae subterraneae des deutschen Alchemisten Johann Joachim Becher. Becher erhielt das Gas durch Erhitzen von Ethanol mit Schwefelsäure.[11] Bereits 1777 soll der niederländische Mediziner Jan Ingenhousz über die in Amsterdam erfolgte Synthese von Ethen durch Henricus Aeneae (Enée) und dessen Mitarbeiter John Cuthbertson erfahren haben.[12][13]
Im Jahr 1795 wurde von den niederländischen Chemikern Johan Rudolph Deiman, Adriaan Paets van Troostwijk, Anthonie Lauwerenburgh und Nicolaas Bondt die Synthese von 1,2-Dichlorethan aus Ethen und Chlor entdeckt. Da das Produkt als Öl der holländischen Chemiker bezeichnet wurde, wurde das 1669 von Becker entdeckte und 1799 von Joseph Priestley untersuchte Ethen (im Deutschen ursprünglich Äthylen) im Französischen gaz oléfiant („ölbildendes Gas“), im Englischen olefiant gas, genannt.[14] 1807 versuchte John Dalton eine Strukturformel aufzustellen.[15] In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelang die synthetische Darstellung pflanzlicher Säuren wie zum Beispiel der Bernsteinsäure aus Ethen.[16]
Auf die anästhetischen Eigenschaften von Ethen hatte 1864 der Physiologe Ludimar Hermann hingewiesen.[17] Das Gas war als Anästhetikum neben Lachgas vor allem bei schwachen Betäubungen in Gebrauch. Es wirkt narkotisch und muskelentspannend. Im Jahr 1923 wurde es in Chicago zum ersten Mal öffentlich benutzt, die narkotische Wirkung des Ethens ist etwas stärker als die des Lachgases und hat einen ähnlichen Wirkmechanismus. Nach der 1923 erschienenen Publikation von A. Luckhardt und J. B. Carter von der University of Chicago über Narkosen mit Ethen bei über 100 Operationen fand es zunächst vermehrt Anwendung.[17][18][19] Später wurde es jedoch nicht mehr verwendet, da es brennbar und in Verbindung mit Sauerstoff hoch explosiv ist und unangenehm riecht. Außerdem war die Narkosewirkung des Ethens im Vergleich zu anderen gebräuchlichen Narkosemitteln nicht sehr gut; um eine gute Wirkung zu erzielen, musste das Narkosegemisch etwa 90 % Ethen enthalten.[20]
Ende des 19. Jahrhunderts studierte der russische Biologe Dimitri Nelyubov die Reaktion der Erbse auf Leuchtgas. Dabei entdeckte er, dass das im Leuchtgas enthaltene Ethen der Bestandteil war, auf den die Erbsen reagierten. Der Wissenschaftler Frank Denny vom Landwirtschaftsministerium der Vereinigten Staaten erkannte, dass die unter Landwirten verbreitete Praxis, Zitrusfrüchte in Schuppen unter Kerosinbeleuchtung reifen zu lassen, ebenfalls auf das bei der Verbrennung von Kerosin in Spuren entstehende Ethen zurückzuführen ist.[8] Er hatte festgestellt, dass die Kerosinabgase unwirksam wurden, wenn sie durch eine Bromwasserlösung geleitet wurden, wobei das Ethen zu 1,2-Dibromethan reagiert.
Nach der Entdeckung der reifungsfördernden Wirkung von Ethen bei Zitrusfrüchten wurde es bald bei anderen Früchten eingesetzt. Da reife Bananen wegen ihrer Empfindlichkeit nicht aus den Tropen zu den Märkten in Europa und den USA transportiert werden konnten, war es üblich, grüne Bananen zu verschiffen. Diese wurden am Bestimmungsort zunächst mit Hilfe von Kerosinöfen nachgereift. Da die Ethenreifung bei niedrigeren Temperaturen erfolgt und dadurch weniger Fäulnis auftritt, wurde die Kerosinreifung bald verdrängt. Das Verfahren wurde schließlich für die Reifung von Tomaten, Ananas, Melonen, Birnen, Mangos, Paprika, Avocados, Äpfeln, Pflaumen und vielen anderen Früchten eingesetzt.[21]
In den 1930er Jahren entdeckte Richard Gane, dass Pflanzen Ethen synthetisieren, und er bewies, dass Ethen ein endogenes Pflanzenhormon ist. Von den 1960er bis zu den frühen 1980er Jahren wurde die Ethen-Biosynthese in Pflanzen aufgeklärt und membrangebundene Ethenbindungsstellen entdeckt und charakterisiert. In den 1990er Jahren begann die Aufklärung des Wirkungsmechanismus.[22]
Technisch wurde Ethen zunächst durch Dehydratisierung von Ethanol oder durch Isolierung aus Kokereigas gewonnen. Eine erste großtechnische Herstellung von Ethen aus Ethanol erfolgte 1913 in den Elektrochemischen Werken in Bitterfeld.[23] Das so gewonnene Ethen wurde zu Kühlzwecken benutzt. Die Firma Imperial Chemical Industries entdeckte 1933 in Laborversuchen die Hochdruckpolymerisation von Ethen. Nach der Patenterteilung 1937 begann 1938 der Bau der ersten Polyethylenanlage in Großbritannien. In den Vereinigten Staaten begann die industrielle Produktion 1943 durch DuPont.[24] Mit der Möglichkeit, Polyethylen durch Hochdruckpolymerisation herzustellen, stieg die Nachfrage nach Ethen sprunghaft an.
Der deutsche Inlandsbedarf an Ethen, der 1944 bei 200.000 Tonnen pro Jahr lag, stieg in der Nachkriegszeit rasch an. Als Rohstoff für eine Vielzahl von Produkten, darunter Glycole, Polyglycole, Ethylenoxid und Ethanol, gewann Ethen schnell an Bedeutung. Diese Entwicklung wurde durch die Entdeckung der Niederdruckpolyethylensynthese durch Karl Ziegler Anfang der 1950er Jahre noch verstärkt.[25] In den ersten Nachkriegsjahren standen für die Produktion die Teilhydrierung von Ethin, das über die Carbidroute aus Kohle und Kalk hergestellt wurde, die Dehydratisierung von Ethanol und die Abtrennung aus Kokerei- und Crackgasen durch Verflüssigung zur Verfügung. In Frankreich wurde ein Verfahren angewandt, bei dem Kokereigase durch eine Schwefelsäurelösung geleitet wurden. Das Ethen wurde dabei als Schwefelsäureester abgefangen und durch Hydrolyse zu Ethanol freigesetzt.[26]
Das technisch relevante Verfahren ist das Steamcracken von Naphtha oder höheren Kohlenwasserstoffgemischen wie Hydrowax. Während in den Vereinigten Staaten die Ethenproduktion 1950 noch bei 675.000 Tonnen lag, stieg sie bis 1962 bereits auf etwa 1.800.000 Tonnen.[27]
Aufgrund des steigenden Bedarfs wurde in den 1960er Jahren eine Ethen-Pipeline konzipiert, die Ethen zwischen den Herstellern und Verbrauchern in den Niederlanden, Belgien und Deutschland transportiert. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und der Sicherheit wird Ethen grundsätzlich nur per Pipeline transportiert. In Deutschland und Teilen der Niederlande und Belgiens wurde 1974 die Ethylene-Pipeline ARG zum Transport von Ethen zwischen den Chemiestandorten von Rotterdam über Antwerpen in den Raum Köln und in die Emscher-Lippe-Region sowie in das Rhein-Main-Gebiet und nach Ludwigshafen am Rhein in Betrieb genommen. Die Ethylene-Pipeline ARG hat eine Länge von etwa 500 Kilometern und transportiert jährlich bis 2,0 Millionen Tonnen Ethen zu etwa 20 direkt angeschlossenen petrochemischen Unternehmen.[28]
In Bayern verbindet die Ethylen-Pipeline Münchsmünster-Gendorf das Bayrische Chemiedreieck im Südosten mit dem Chemiestandort bei Ingolstadt. Nach einer sechsjährigen Bauzeit wurde 2013 die 370 Kilometer lange Ethylen-Pipeline Süd von Münchsmünster nach Ludwigshafen am Rhein in Betrieb genommen, eines der größten Infrastrukturprojekte der deutschen chemischen Industrie im 21. Jahrhundert. Sie verbindet das nordwest-deutsche Netz mit den bayerischen Chemiestandorten.[29] Sie verläuft von Münchsmünster weitgehend in westlicher Richtung entlang der Transalpinen Ölleitung, quert den Rhein bei Karlsruhe und führt dann nach Norden bis Ludwigshafen. Die Ethylen-Pipeline Süd hat eine Kapazität von 400.000 Tonnen Ethen pro Jahr und kann sowohl von Münchsmünster nach Ludwigshafen als auch in umgekehrter Richtung pumpen.[30]
Erst 1981 wurde der Prozess der Dehydratisierung von Ethanol in Brasilien von Salgema Indústrias Químicas wieder aufgenommen. Salgema produzierte etwa 100.000 Tonnen pro Jahr, basierend auf einem Patent der Petrobras. Ausgangsmaterial für das „Green Ethylene“ ist Ethanol aus Zuckerrohr. Im Jahr 2010 errichtete die Braskem ein Werk zur Dehydratisierung von Ethanol in Triunfo in Rio Grande do Sul mit einer Jahreskapazität von 200.000 Tonnen.[23]
Ab den 1990er Jahren wurde billiges Ethan aus Erdgas, das durch Fracking gewonnen wurde, zum neuen Ausgangsstoff für die Ethenproduktion in den USA. Dies veranlasste die US-amerikanischen Chemieproduzenten zum Bau neuer Ethancracker-Kapazitäten. Allein zwischen 2017 und 2020 wurden rund 10 Millionen Tonnen zusätzliche Kapazität installiert.[31]
Im Jahr 2010 wurden weltweit etwa 123 Millionen Tonnen an Ethen hergestellt.[32] Das Produktionsvolumen in Deutschland lag zwischen 2013 und 2022 bei 4,32 bis 5,2 Millionen Tonnen.[33] Der weltweite Ethenmarkt hatte 2022 ein Volumen von rund 137 Milliarden US-Dollar.[34] Der Ethan-Steamcracker TX-9 der Dow in Oyster Creek, Texas, besitzt eine Nennkapazität von 2 Millionen Tonnen Ethen pro Jahr und war damit 2020 die größte Ethen-produzierende Anlage der Welt.[35] In den Jahren nach der weltweiten COVID-19-Pandemie konnten die US-Hersteller ihren Wettbewerbsvorteil der niedrigen Rohstoffkosten weiter ausbauen. Andererseits belasteten die Inflation und die Energiekostenproblematik die Rentabilität der Herstellung von Ethen und seinen Folgeprodukten im europäischen Raum.[36]
Die Ethenkonzentration in der Atmosphäre wird weltweit überwiegend von natürlichen Quellen verursacht und liegt in der globalen Troposphäre, der untersten Schicht der Erdatmosphäre, meist unter 0,1 parts per billion (ppb).[37] Ein kleiner Teil des Ethens gelangt in die Stratosphäre. Die Ethenproduktion erfolgt hauptsächlich biotisch durch höhere und niedere Pflanzen sowie durch mikrobiologische Aktivitäten, etwa Bakterien der Gattung Pseudomonas oder Schimmelpilze der Gattung Mucor. Abiotisch entsteht Ethen beispielsweise durch den nicht-enzymatischen Abbau von Ethionin, Eisen(II)-Ionen katalysieren die abiotische Bildung von Ethen aus Methionin. In der Landwirtschaft werden zum Teil Dünger mit Ethen freisetzenden Substanzen wie 2-Chlorethylphosphonsäure eingesetzt.[38] Ethen entsteht ebenfalls bei Waldbränden oder Brandrodungen.
Lokale Ethenemittenten, von denen im Jahr 2022 weltweit 336 identifiziert wurden, sind in der chemischen und petrochemischen Industrie, der Kohleförderung und -verarbeitung, der Metallurgie sowie in einigen städtischen Gebieten zu finden. Die höchste Dichte an lokalen Ethenemittenten findet sich in Europa, Russland, dem Nahen Osten, Indien und Ostasien.[37] Der Autoverkehr trägt in städtischen Gebieten zur Ethenbelastung bei.
Ethen wird in der Atmosphäre schnell abgebaut, aber es trägt als Vorläufersubstanz von Formaldehyd und bodennahem Ozon zur Luftverschmutzung bei. Die Verweilzeit von Ethen in der Atmosphäre hängt von der Konzentration der Hydroxyl-Radikale und des Ozons ab und beträgt im Mittel 24 bis 34 Stunden. In industriellen oder städtischen Gebieten mit örtlich höheren Konzentrationen von Hydroxyl-Radikalen und Ozon kann die Verweilzeit kürzer sein.[37]
Ethen ist ein Produkt der Methan-Chemie in den Atmosphären der äußeren Planeten. Es wurde unter anderem in den Atmosphären des Jupiters, des Saturns und des Neptuns nachgewiesen.[39][40][41] Auch auf Makemake, einem Zwergplaneten und einem der größten bisher bekannten Objekte im Kuipergürtel, wurde Ethen nachgewiesen. Das Ethen liegt dort in fester Form als Etheneis vor, dass wahrscheinlich auf strahlenchemischen Weg aus Methan entstanden ist.[42]
Ethen fällt teilweise als Kuppelprodukt an und kann durch Isolierung aus zwangsläufig anfallenden Gemischen von gasförmigen Paraffinen und Olefinen oder durch gezielte Verfahren zur Ethenherstellung gewonnen werden. Ethen fällt beispielsweise als Nebenprodukt in Raffinerie- und Kokereigasen, bei der Fischer-Tropsch-Synthese mit Eisenkatalysatoren und bei der Acetylenherstellung an. Zu den direkten Verfahren gehören das Steamcracken, die Dehydrierung von Ethan, verschiedene Pyrolyseverfahren, die Teilhydrierung von Acetylen, die Dehydrierung von Ethanol und andere Verfahren. Im Jahr 2016 wurden etwa 97 % des Ethens durch Steamcracken hergestellt.[43] Die weltweiten Produktionskapazitäten beliefen sich im Jahr 2019 auf 187 Millionen Tonnen bei einem Bedarf von 164 Millionen Tonnen. Damit war Ethen vor Propen und Benzol die meistproduzierte organische Basischemikalie.[44][45]
Der größte Teil des benötigten Ethens wird durch Steamcracken von Kohlenwasserstoffen gewonnen. Als Rohstoffe werden meist Ethan, Erdgas, Naphtha oder höhersiedende Destillatschnitte von Erdöl verwendet, die mit Wasserdampf auf hohe Temperaturen erhitzt werden. Der Wasserdampf dient als Wärmeträger und reduziert die Koksbildung in den Cracköfen. Die Dampfeinspritzung senkt außerdem den Partialdruck der entstehenden Olefine und vermindert dadurch Sekundärreaktionen wie die Polymerisation.[46]
Obwohl es verschiedene Arten von Crackern gibt, besteht der wesentliche Verfahrensschritt darin, Kohlenwasserstoffe und Wasserdampf bei Temperaturen von 800 bis 900 °C in einen Crackofen einzuspritzen, wobei die Temperaturen für das Cracken von Ethan höher sind als für schwerere Rohstoffe. Die Verweilzeit liegt im Bereich von einer Sekunde oder darunter.[46]
Die Verteilung der entstehenden Produkte hängt neben den Crackbedingungen von den eingesetzten Rohstoffen ab, wobei leichtere Rohstoffe einen höheren Anteil an Ethen liefern. Das Steamcracken von Ethan liefert eine Ausbeute von bis zu 76 % Ethen, während die Ausbeute bei Naphtha bei etwa 31 % liegt.[47]
Das Steamcracken ist ein energieintensiver Prozess, der jährlich etwa 40 % des gesamten Energieeinsatzes der petrochemischen Industrie erfordert.[48] Pro Tonne produziertem Ethen entstehen beim Steamcracken etwa 1,5 Tonnen Kohlenstoffdioxid, was im Jahr 2020 zu einem Ausstoß von etwa 260 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid beim Steamcracken führte. Dieser Wert entsprach etwa 0,8 % der weltweiten Kohlenstoffdioxidemissionen 2020, die auf 34 Milliarden Tonnen geschätzt wurden.[49]
Die Dehydratisierung von Ethanol spielt in Ländern mit einer großen Bioethanolproduktion wie Brasilien eine wichtige Rolle. Dort begann in den 1970er Jahren ein Programm zur Herstellung von Ethanol aus Zuckerrohr, um die Abhängigkeit von Erdölimporten zu verringern. Die Anbaufläche für Zuckerrohr belief sich 2007 auf rund 7,8 Millionen Hektar, von denen etwa die Hälfte für die Herstellung von Bioethanol genutzt wird.[50]
Die Dehydratisierung erfolgt sowohl intramolekular unter Bildung von Ethen als auch intermolekular und Bildung von Diethylether. Diethylether kann in einem zweiten Schritt weiter zu zwei Molekülen Ethen dehydratisiert werden. Beide Reaktionen sind endotherm.[50]
Ältere Anlagen nutzten auf Trägern fixierte Phosphorsäure als Katalysator. Diese Katalysatoren lieferten Produkte hoher Reinheit, waren jedoch korrosiv und nur wenig aktiv. Neuere Anlagen nutzen Katalysatoren auf Basis von Aluminiumoxid und Kieselsäure. Dabei wird Ethanol gasförmig über die Katalysatoren geleitet, die Reaktion findet in einem Temperaturbereich von 350 bis 500 °C statt, wobei eine Ethenselektivität von etwa 97 bis 99 % erreicht wird.[50]
Die Ethenherstellung auf Basis von Bioethanol ist dem konventionellen Steamcracking aus ökologischer Sicht überlegen. Durch den Einsatz nachwachsender Rohstoffe, niedrigere Prozesstemperaturen bei der Dehydratisierung von Ethanol und eine höhere Selektivität entstehen insgesamt weniger Schadstoffe.[51]
Mobil entwickelte Anfang der 1970er Jahre ein Verfahren, bei dem Erdgas zunächst in Synthesegas und anschließend in Methanol umgewandelt wird. Das Methanol reagiert in Gegenwart eines Zeolithkatalysators zu Olefinen. Im ersten Schritt wird Methanol zu Dimethylether dehydratisiert, der durch weitere Dehydratisierung zu Ethen reagiert.
Der Zeolithkatalysator ZSM-5 ist ein in der Industrie häufig verwendeter Katalysator für das Methanol-to-Olefins-Verfahren (MTO). Beim Einsatz dieses Katalysators entsteht jedoch eine breite Palette von Produkten, darunter Aromaten und Paraffine. Der von Union Carbide in den 1980er Jahren entwickelte Siliziumaluminiumphosphatkatalysator SAPO-34 weist dagegen eine höhere Selektivität für Olefine auf und wird bevorzugt eingesetzt, wenn diese das Zielprodukt der Reaktion sind. SAPO-34 besitzt eine Käfigstruktur, während ZSM-5 eine Kanalstruktur aufweist. Typische Reaktionsbedingungen liegen bei einer Temperatur von 500 °C und einem Druck von 2,2 bis 3,5 bar.[47]
Es gibt zwei Möglichkeiten, Ethen durch die Fischer-Tropsch-Synthese herzustellen. Zum einen kann Ethen in höheren Konzentrationen direkt in der Fischer-Tropsch-Synthese bei hohen Temperaturen in Wirbelschichtreaktoren hergestellt werden. Dabei werden niedermolekulare Olefine und Benzin hergestellt. Die bestehenden Hochtemperatur-Synthol-Fischer-Tropsch-Anlagen von Sasol produzieren große Mengen Ethen, Ethan und Propen. Zur Gewinnung von Ethen wurden Ethen-Rückgewinnungsanlagen installiert, die Produktion wurde durch eine Erhöhung der Ethan-Cracker-Kapazität weiter gesteigert. Weiterhin kann das erzeugte Benzin als Einsatzstoff für Steamcracker verwendet werden. Dadurch kann eine hohe Ausbeute an Ethen erzielt werden.[52]
Fluid Catalytic Cracking (FCC) ist ein Konversionsverfahren, das eingesetzt wird, um aus hochsiedenden Kohlenwasserstofffraktionen des Erdöls Benzin, Olefine und andere Produkte herzustellen. Das Zielproduct des Fluid Catalytic Cracking sind Motorenbenzine, Ethen fällt dabei in prozentual geringen Mengen als Nebenprodukt an.[51]
Ethen kann durch die heterogenkatalytische oxidative Kopplung von Methan hergestellt werden.[53] Bei dieser Reaktion reagiert Methan zunächst oxidativ zu Ethan und danach weiter zu Ethen.[54]
Dabei entsteht Ethan durch die Kopplung von Methylradikalen in der Gasphase. Die Methylradikale entstehen an katalytisch aktiven Stellen an der Oberfläche des heterogenen Katalysators. Möglicherweise handelt es sich dabei um reaktive Sauerstoffionen. Der Umsatz beträgt etwa 20 %, wobei eine Selektivität zu Ethan und Ethen von 80 % erreicht wird. Die Reaktion findet bei einer Temperatur von 700 bis 800 °C statt. Als Nebenprodukte fallen Wasserstoff, Wasser, Kohlenstoffdioxid und -monoxid sowie Propan, Propen und Ethin an.[55]
Bei der Metathese von Propen entstehen Ethen und 2-Buten.
Diese Technologie wurde bisher in einer Anlage im kanadischen Shawinigan und an der Golfküste der USA eingesetzt. Da die Propenproduktion in Ethan-Crackern die Nachfrage nach Propen nicht decken kann, hat die umgekehrte Reaktion, die Metathese zur Herstellung von Propen aus Ethen und 2-Buten, an Bedeutung gewonnen.[56]
Beim Cracken von Naphtha zur Herstellung von Ethen fällt in geringen Mengen Ethin an, das bei der Polyethylenherstellung die Ziegler-Katalysatoren vergiftet. Um dies zu vermeiden, muss das Ethin partiell zu Ethen hydriert werden.[57] Vor dem Aufkommen des Steamcrackens als Hauptroute zu Ethen war die partielle Hydrierung von Ethin aus Calciumcarbid in Deutschland ein gängiges technisches Verfahren, mit dem etwa die Hälfte des Ethenbedarfs gedeckt wurde.[58]
Zur Herstellung von Ethen aus Ethin wird ein Gemisch aus Wasserstoff, Ethin und Wasserdampf über einen heterogenen Kieselgel-Palladium-Katalysator geleitet, dessen Palladiumkonzentration etwa 0,01 % beträgt. Die Reaktion bei etwa 200 °C wird im Wasserstoffüberschuss gefahren und je nach Katalysatoraktivität so gesteuert, dass die Restethinmenge unter 1 % liegt. Die Standzeit des Katalysators beträgt etwa ein Jahr, die Deaktivierung erfolgt durch Ablagerung von Ethinpolymerisaten auf der Katalysatoroberfläche. Der Katalysator wird bei 600 °C mit einem Luft-Wasserdampf-Gemisch regeneriert.[58]
Neben dem Cracken ist die Dehydrierung von Ethan, das in großen Mengen in Schiefergasen vorkommt, eine technisch mögliche Route. Die katalytische nicht-oxidative Dehydrierung von Ethan zu Ethen mit Platin- und Chromkatalysatoren wurde eingehend untersucht. Die Reaktion ist in hohem Maße endotherm und gegenüber dem Steamcracken nicht konkurrenzfähig.[59]
Ethen ist ein planares Molekül mit einer Doppelbindung. Aufgrund der sp2-Hybridisierung der Kohlenstoffatome ist das Molekül planar, das heißt, alle Atome liegen in einer Ebene. Ethen besitzt die Punktgruppe D2h.[60]
Die H-C-H-Bindungswinkel betragen je 117° und weichen damit nur leicht vom theoretisch idealen Wert der trigonal planaren Form mit 120° ab. Die C=C-Doppelbindung ist mit einer Bindungslänge von 134 Picometern deutlich kürzer als die C-C-Einfachbindung in Ethan mit 154 Picometern.[61]
Die Bindungen zwischen den Kohlenstoffatomen in Ethen sind jedoch nicht gleich stark. Die Bindungsenergie der Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindung beträgt 611 Kilojoule pro Mol und damit weniger als das Doppelte der Kohlenstoff-Kohlenstoff-Einfachbindung im Ethan, die etwa 347 Kilojoule pro Mol beträgt.[62][63] Allgemein ist Ethen aufgrund der hohen Elektronendichte zwischen den beiden Kohlenstoff-Atomen wesentlich reaktiver als zum Beispiel das einfach gebundene Ethan.
Auf Grund der reaktiven C=C-Doppelbindung ist die Addition an diese Bindung eine typische Reaktion des Ethens. In Wasser sind nur 130 mg/l Ethen löslich, in organischen (unpolaren) Lösungsmitteln ist Ethen jedoch gut löslich. Ethen hat einen leicht süßlichen, unangenehmen Geruch. Die Geruchsschwelle liegt bei 260 ml/m3. Der Heizwert von Ethen beträgt 58,9 MJm−3.[64]
Weitere Eigenschaften:
Ethen kristallisiert bei −175 °C in einer rhombischen Elementarzelle mit zwei Molekülen pro Zelle und den Gitterparametern a = 6,46 Å, b = 4,87 Å, c = 4,14 Å. Die Dichte beträgt 0,717 g/cm3.[65]
Der Flammpunkt liegt bei −136 °C, der Zündpunkt bei 425 °C.[66]
Verschiedene Stoffklassen wie Halogene, Halogenwasserstoffe oder Wasser reagieren mit Ethen in einer Elektrophilen Addition. Dabei wird die π-Bindung unter Bildung von zwei neuen σ-Bindungen gespalten. Die Reaktion wird durch den Angriff eines Elektrophils X+ an der Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindung ausgelöst. Die positive Ladung oder Partialladung des Elektrophils wird auf die Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung übertragen und es entsteht unter Bildung einer Elektrophil-Kohlenstoff-Bindung ein Carbokation. Im zweiten Schritt reagiert das Carbokation mit einer elektronenreichen Spezies Y− und bildet eine weitere kovalente Bindung.[67]
Beim Einsatz von Halogenen entstehen 1,2-Dihalogenethane, beim Einsatz von Halogenwasserstoffen monosubstituierte Halogenalkane. In der sauer katalysierten Reaktion mit Wasser entsteht Ethanol.
Die freie Radikaladdition beginnt mit dem Zerfall eines Radikalstarters in zwei freie Radikale oder mit einer strahlen- oder photochemisch initiierten Radikalbildung. Die freien Radikale lagern sich im nächsten Schritt an die Doppelbindung des Ethens an, wobei ein um eine Etheneinheit verlängertes Radikal entsteht. An dieses Radikal können sich weitere Ethenmoleküle anlagern, so dass durch radikalische Kettenpolymerisation lineare und verzweigte Polymere entstehen können. Durch die Kombination zweier Radikale kommt es zu einer Abbruchreaktion.[68]
Ethen reagiert in einer En-Reaktion, einer pericyclische Reaktion mit einer Verbindung, die Wasserstoff in allylischer Position aufweist, etwa Propen.[69]
Dies geschieht unter Bindungsbildung zwischen einem Kohlenstoffatom der Doppelbindung und dem Enophil unter Übertrag des allylischen Wasserstoffs auf das Enophil.
Mit 1,3-Butadien reagiert Ethen als Dienophil in einer Diels-Alder-Reaktion zu Cyclohexen.[70]
Von dem dänischen Chemiker William Christopher Zeise wurde 1830 die erste metallorganische Verbindung mit einem Ethen-Liganden, das Zeise-Salz mit der Summenformel K[PtCl3(C2H4)]H2O, synthetisiert.[71]
Mit Übergangsmetallen bildet Ethen π-Komplexe, mit Nickel zum Beispiel bildet Ethen den Komplex Tris-(ethen)-nickel(0).[72] Bei dem Komplex handelte es sich um den ersten binären Metall-Ethen-Komplex. Ethen lässt sich etwa durch Substitutionsreaktionen oder durch reduktive Spaltung in Metallkomplexe einführen.
Die Bindungsverhältnisse in metallorganischen Ethenkomplexen lassen sich durch das Dewar-Chatt-Duncanson-Modell beschreiben.
Dabei erfolgt die Hinbindung über eine σ-Donor-Bindung aus dem besetzten π-Orbital des Ethens in ein d-Orbital des Metalls und die Rückbindung über eine π-Donor-Bindung aus einem besetzten d-Orbital in die antibindenden π*-Orbitale des Ethens. Beide Effekte führen zu einer Verlängerung der Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindung gegenüber dem freien Ethen und gegebenenfalls zum Verlust der planaren Ethenstruktur. Je nach Stärke der Bindungen können ein planarer Metall-Ethen-π-Komplex oder ein Metallacyclopropan als Grenzfälle betrachtet werden.
Durch photochemische oder thermische Anregung kann es zu einer Umlagerung eines Ethen-Komplexes in einen Vinylhydrid-Komplex kommen.[73]
Die Bildung eines Ethen-π-Komplexes ist der erste Schritt in vielen homogenkatalytischen Reaktionen wie der Hydroformylierung. Nach der Bildung der aktiven Katalysatorspezies durch den Verlust eines Kohlenstoffmonoxidliganden erfolgt die Komplexierung des 16-Elektronen-Hydridocobaltcarbonylkomplex mit Ethen zu einem 18-Elektronenkomplex. Anschließend erfolgt die Insertion des Ethens in die Wasserstoff-Cobalt-Bindung unter Bildung eines 16-Elektronen-Alkylkomplexes. Dieser Alkylkomplex nimmt einen weiteren Kohlenstoffmonoxidliganden auf. Durch Insertion eines Kohlenstoffmonoxid-Liganden in die Metall-Alkyl-Bindung entsteht ein Acylkomplex. Durch oxidative Addition von molekularem Wasserstoff und Freisetzung von Propionaldehyd entsteht schließlich wieder der 16-Elektronen-Ausgangskomplex. Die Hydroformylierung von Ethen mit Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff ist ein technischer Weg zur Darstellung von Propionaldehyd (R = H).[74]
Dieser sogenannte Heck-Breslow-Mechanismus der Cobalt-katalysierten Hydroformylierung wurde 1960 vom späteren Nobelpreisträger Richard F. Heck und von David Breslow aufgeklärt.[75]
Durch Addition mit Formaldehyd reagiert Propionaldehyd zu Trimethylolethan, einem Zwischenprodukt für die Herstellung von Alkydharzen. Proprionaldehyd wird weiterhin zur Synthese von Aromastoffen wie 3-(p-Cumenyl)-2-methylpropionaldehyd und 2-(4-tert-Butylbenzyl)propionaldehyd verwendet.
Durch Nickelkatalysatoren wird die Hydrocyanierung von Ethen mit Cyanwasserstoff zu Propionitril katalysiert (R = H).[76]
Durch Hydrierung entsteht Propylamin, durch säurekatalysierte Hydrolyse Propionsäure.
Propylamin wird zum Beispiel zur Synthese von Fungiziden wie Prochloraz eingesetzt. Propionsäure wird neben vielfältigen Verwendungen in der chemischen Industrie als Konservierungsmittel sowohl in Futtermitteln als auch in Lebensmitteln verwendet. Auf diese Anwendung entfällt etwa die Hälfte der weltweiten Propionsäureproduktion.
Ethen verbrennt bei ausreichender Sauerstoffzufuhr zu Wasser und Kohlenstoffdioxid.
Bei 25 °C und 1,01325 bar beträgt die Verbrennungsenthalpie −1411 Kilojoule pro Mol.[77] Ethen wird als möglicher Treibstoff für Staustrahltriebwerke, so genannte Scramjets, mit Überschallverbrennung untersucht. Mit einem Scramjet-Triebwerk können Flugzeuge Überschallgeschwindigkeit erreichen, was einen schnellen globalen Verkehr und einen kostengünstigen Zugang zum Weltraum ermöglichen kann.[78]
Ethen lässt sich mit Wasserstoff unter hohem Druck und in Anwesenheit metallischer Katalysatoren wie Platin, Palladium und Nickel zu Ethan hydrieren.
Ethen dient als Modellmolekül für die heterogenkatalytische Hydrierung von Verbindungen mit Doppelbindung, da nur ein Produkt entsteht. Durch die Messung von Messung von Konzentrations-Zeit-Profilen und die Anwendung oberflächenanalytischer Methoden lässt sich die Reaktion detailliert untersuchen.[79]
Bei Hitze und unter Luftabschluss zerfällt Ethen zu Methan und Kohlenstoff.
Mit Dischwefeldichlorid reagiert Ethen zu Senfgas.
Dem belgischen Chemiker César-Mansuète Despretz gelang auf diesem Weg 1822 erstmals die Darstellung von Senfgas. Im Jahr 1916 regten die beiden deutschen Chemiker Wilhelm Lommel und Wilhelm Steinkopf, von deren Initialen der Name Lost abgeleitet ist, seine Verwendung als chemische Waffe an.[80]
Palladiumkomplexe katalysieren die alternierende Copolymerisation von Ethen und Kohlenstoffmonoxid, die sogenannte Polyketonsynthese, die 1984 bei Shell entwickelt wurde.[81] Ethen lässt sich ebenfalls mit Schwefeldioxid copolymerisieren.[82]
Ethen ist in der chemischen Industrie Ausgangsstoff für die Synthese von über 30 % aller Petrochemikalien, es hat das Ethin nach dem Zweiten Weltkrieg weitestgehend verdrängt, weil Ethin teurer herzustellen ist, wohingegen Ethen bei industriellen Prozessen massenhaft anfällt, seitdem Erdöl in großen Mengen zur Verfügung steht.
Die wichtigsten Folgeprodukte des Ethens sind Polyethylen, Ethylendichlorid zur Herstellung von PVC, Ethylenoxid zur Herstellung des Polyester-Vorprodukts Ethylenglycol oder von nichtionischen Tensiden sowie Ethylbenzol zur Herstellung von Polystyrol. Daneben ist Ethen Ausgangsstoff zur Herstellung zahlreicher organischer Verbindungen wie Anthracen, 2-Chlorethanol, Chlorethan, Propanal, Isopren, Vinylacetat, Propansäure, Buten, Styrol, Ethandiol und weiteren Stoffen. Im Wacker-Hoechst-Verfahren wird Ethen großtechnisch unter Verwendung von molekularem Sauerstoff in Acetaldehyd umgesetzt.[83]
Globaler Ethenverbrauch im Jahr 2000 in %[84] | |
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Folgeprodukt | Prozentualer Anteil |
HDPE | 26 % |
LDPE | 18 % |
LLDPE | 14 % |
1,2-Dichlorethan | 12 % |
Ethylenoxid | 12 % |
Ethylbenzol | 7 % |
Sonstige | 9 % |
Ethen lässt sich radikalisch unter hohem Druck oder mit Hilfe von Ziegler-Katalysatoren oder Metallocenen zu Polyethylen polymerisieren.[85]
Es gibt Polyethylen hoher Dichte (High Density Polyethylene, HDPE) und lineares Polyethylen niedriger Dichte (Linear Low Density Polyethylene, LLDPE), die mit Ziegler- oder Metallocenkatalysatoren hergestellt werden. Polyethylen niedriger Dichte (Low Density Polyethylene, LDPE) wird durch radikalische Polymerisation unter hohem Druck hergestellt. Im Jahr 2020 wurden weltweit etwa 102 Millionen Tonnen Polyethylen produziert, davon 33 Millionen Tonnen LDPE. Polyethylen kann für eine Vielzahl von Anwendungen eingesetzt werden, insbesondere für Verpackungen.[86]
Mit anderen Olefinen wie Propylen reagiert Ethen zu Ethylen-Propylen-Copolymeren, unter Zusatz von Dienen zu Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk.[87] Mit Tetrafluorethylen reagiert Ethen zu Ethylen-Tetrafluorethylen-Copolymeren. Mit anderen ungesättigten Verbindungen und Mischungen davon reagiert Ethen zu den entsprechenden Copolymeren wie Ethylen-Vinylacetat-Copolymeren, Ethylen-Chlortrifluorethylen-Copolymeren und vielen weiteren Copolymeren.
Ethylbenzol wird großtechnisch fast ausschließlich durch die säurekatalysierte Reaktion von Benzol mit Ethen hergestellt. Mehr als die Hälfte des Benzolverbrauchs entfällt auf die Herstellung von Ethylbenzol. Die Alkylierung erfolgt entweder in flüssiger Phase mit Aluminiumchlorid oder anderen Friedel-Crafts-Katalysatoren unter Zusatz von Chlorethan als Promotor. Der bei der Alkylierung mit Chlorethan entstehende Chlorwasserstoff dient als Cokatalysator. In der Gasphase wird die Reaktion mit trägergebundener Phosphorsäure, Aluminiumsilikat oder einem Zeolith wie ZSM-5 als Katalysator durchgeführt.[88]
Bei hohen Reaktortemperaturen oder hohen Ethenkonzentrationen kann Ethen unter Bildung von Diethylbenzol mit Ethylbenzol reagieren. Diethylbenzol wird durch Destillation abgetrennt und in den Prozess zurückgeführt, wo es mit Benzol unter Transalkylierung wieder zu Ethylbenzol reagiert.[89] Der größte Teil des Ethylbenzols wird zu Styrol dehydriert, das als Monomer für Polystyrol und andere Polymere verwendet wird. Die Dehydrierung erfolgt in der Dampfphase unter Zugabe von Wasserdampf über einem Eisenoxidkatalysator.[88]
Mit Luft oder Sauerstoff und Silber als Katalysator erfolgt bei einer Temperatur von 220 bis 280 °C und erhöhtem Druck eine Epoxidation zu Ethylenoxid.[91]
Als wichtiger Rohstoff für die chemische Industrie wird Ethylenoxid in einer Vielzahl von Anwendungsgebieten eingesetzt. Durch Umsetzung des Ethylenoxids mit Wasser entstehen Ethylenglycol sowie im geringeren Maße höhere Glycole wie Diethylenglycol, Triethylenglycol sowie Polyethylenglycole.
Mit Ammoniak reagiert es zu Mono-, Di- und Triethanolamin, mit Fettalkoholen zu Fettalkoholethoxylaten. In der Reaktion mit Alkoholen entstehen Ethylenglycolether wie etwa Ethylenglycolmonobutylether. Die direkten Folgeprodukte wiederum werden für die Herstellung einer Vielzahl weitere Produkte eingesetzt.[90]
Unter Nickelkatalyse lässt sich Ethen zu α-Olefinen mit einer breiten Molekulargewichtsverteilung oligomerisieren.
Die C4- bis C8-Olefine werden für die Herstellung von linearem Polyethylen niederer Dichte verwendet, die Fraktion der C12- bis C18-Olefine wird nach Hydroformylierung und Hydrierung in Fettalkohole mit teilweiser Monomethylverzweigung überführt, die als Rohstoffe für die Herstellung von Tensiden dienen. Höhermolekulare Olefine werden zu innenständigen Olefinen isomerisiert und durch Ethenolyse wieder in kurzkettige Olefine überführt, wobei ein Gemisch aus α-Olefinen mit ungerader und gerader Kohlenstoffkettenlänge entsteht. Diese Reaktionen werden großtechnisch im Shell Higher Olefin Process angewandt.[92]
Durch die Reaktion mit Triethylaluminium oligomerisiert Ethen in einer Ziegler-Synthese zu einem Trialkylaluminium, das in einem weiteren Schritt zu Ziegler-Alkoholen oxidiert und hydrolisiert werden kann.
Ziegler-Alkohole dienen als naturidentische Fettalkohole zur Herstellung von Tensiden. Die Fettalkohole können durch Ethoxylierung mit Ethylenoxid zu nichtionischen Tensiden umgesetzt werden. Die Alkoholethoxylate mit kurzer Ethoxylatkette werden durch Sulfatierung mit Schwefeltrioxid und Neutralisation mit Natronlauge zu Alkylethersulfaten umgesetzt.
Bei der Herstellung dieser Stoffe entsteht 1,4-Dioxan, das auch in den daraus hergestellten Produkten enthalten ist. Deutschland beabsichtigt, der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) einen Vorschlag zur Beschränkung dieser Tenside vorzulegen.[93] In den Vereinigten Staaten haben Bundesstaaten wie New York den 1,4-Dioxangehalt in Tensiden auf 1 ppm beschränkt.[94]
Im Wacker-Hoechst-Verfahren wird Ethen unter Palladium-Katalyse zu Acetaldehyd oxidiert. Der Sauerstoff der Aldehydfunktion stammt dabei aus dem eingesetzten Wasser. Die Reaktionsfolge wird durch den folgenden katalytischen Zyklus dargestellt:[83]
Bis zum Aufkommen des Monsanto- und Cativa-Prozesses war die Ethenoxidation nach dem Wacker-Hoechst-Verfahren die großindustrielle Route zur Herstellung von Essigsäure. Die Produktionskapazität für Essigsäure nach diesem Verfahren betrug 2009 noch etwa 2 Millionen Tonnen pro Jahr.[95]
Ethen reagiert mit Chlor zu 1,2-Dichlorethan in einer Additionsreaktion.
Alternativ kann 1,2-Dichlorethan durch Oxychlorierung von Ethen mittels Chlorwasserstoff (HCl) und Sauerstoff (O2) hergestellt werden. Der bei der thermischen Spaltung von 1,2-Dichlorethan entstehende Chlorwasserstoff wird in den Prozess zurückgeführt. Als Katalysator wird Kupfer(II)-chlorid verwendet, die Reaktion findet bei Temperaturen von etwa 225 °C und einem Druck von 2 bis 4 bar statt. Da bei der Herstellung von Vinylchlorid Chlorwasserstoff als Koppelprodukt anfällt, sind Chlorierungs- und Oxychlorierungsanlagen häufig integriert. Ein Teil des 1,2-Dichlorethans wird durch Chlorierung und ein anderer Teil durch Oxychlorierung hergestellt.[96] Die einzelnen Reaktionsschritte sind:
Dichlorethan wird zur Herstellung von Vinylchlorid verwendet sowie als Abbeizmittel. Früher wurde es zusammen mit 1,2-Dibromethan als Scavenger in mit Tetraethylblei versetzten Kraftstoffen verwendet, um Bleioxidrückstände im Motorraum in flüchtige Bleichloride zu überführen. Weiterhin dient es als Lösungsmittel. Vinylchlorid wird zu Polyvinylchlorid (PVC) polymerisiert.[96]
Durch Umsetzen mit Schwefelsäure entsteht ein Schwefelsäurehalbester, der durch Hydrolyse in Ethanol umgesetzt werden kann. Diese Syntheseroute zum Industriealkohol wurde durch die Phosphorsäure katalysierte Umsetzung mit Wasser ersetzt.[97]
Ethen wird zum Reifen unreifer klimakterischer Früchte wie Äpfel, Bananen und Tomaten sowie zur Induktion der Blütenbildung benutzt, entweder durch Begasung in geschlossenen Gewächshäusern, Obstlagern oder im Freien über Wirkstoffe, die Ethen in der Pflanzenzelle freisetzen, wie etwa Ethephon oder Etacelasil. Ethen wird für das Degreening von Zitrusfrüchten eingesetzt, Nebeneffekt ist das Weichwerden der Schale, was diese für Pilzwachstum anfällig macht.[98] Äpfel, Cherimoya, Physalis, Maracujas und Sapotengewächse setzen besonders viel Ethen frei.[99] Bei verschiedenen Apfelsorten wurden je nach Lagerzeit bei kühler Lagerung eine Freisetzung zwischen etwa einem und zehn Mikrolitern Ethen pro Kilogramm Äpfel und Stunde gemessen.[100]
Ethen ist des Weiteren ein Brenngas und wird für Hochgeschwindigkeits-Flammspritzen verwendet. Außerdem wird es zur Herstellung von Schädlingsbekämpfungsmitteln und chemischer Waffen wie dem Senfgas (2,2-Dichlordiethylsulfid) verwendet. Während des Zweiten Weltkrieges wurde Ethengas von dem Spezialtrupp Taifun beim Angriff auf Festungen experimentell eingesetzt.[101]
Es wird von Pflanzen ausgehend von der Aminosäure L-Methionin schrittweise enzymatisch synthetisiert, teilweise stimuliert durch das Phytohormon Auxin.[103] Dabei entsteht in einem ersten Schritt durch die Kopplung an Adenosin das S-Adenosylmethionin (SAM). Aus dem Folgeprodukt 1-Aminocyclopropancarbonsäure (ACC) wird durch die ACC-Oxidase Ethen freigesetzt.[102] Die Bildung der ACC-Oxidase wird durch Ethen selbst stimuliert, wodurch wie bei einer autokatalytischen Reaktion in benachbarten Zellen die Ethenbildung vorangetrieben wird. Als gasförmiger Stoff findet sich Ethen dabei vor allem in den Räumen zwischen den Zellen, den Interzellularen. Es diffundiert ständig aus der Pflanze, so dass Abbaureaktionen keine Bedeutung haben.[102]
Das zweite Reaktionsprodukt der ACC-Synthase-Reaktion, 5′-Methylthioadenosin (MTA), wird über den Yang-Zyklus wieder in das Ausgangsprodukt L-Methionin umgewandelt. Pflanzen, die ständig L-Methionin zur Bildung von Ethen benötigen, gewinnen es durch diesen Kreisprozess zurück, ohne es energieaufwändig neu synthetisieren zu müssen. Dies ist etwa bei Früchten nach der Trennung von der Mutterpflanze von Belang.[102] Ein bedeutender Ansatzpunkt der natürlichen und künstlichen Regulierung der Ethenbiosynthese ist die ACC-Synthase.[22] Synthetische ACC-Synthase-Hemmer wie 1-Aminoethoxyvinylglycin und Aminooxyessigsäure hemmen effektiv die Wirkung endogenen Ethens.
Ethen ist ein Pflanzenhormon und reguliert als solches zahlreiche Wachstums- und Entwicklungsprozesse, darunter Zellteilung und -wachstum, Gewebedifferenzierung, Samenkeimung, Wurzelhaarbildung, Blüte, Fruchtreifung und Geschlechtsdeterminierung.[22] Auch ist es beteiligt beim Abwurf der Blätter im Herbst sowie das Absterben von Pflanzenteilen und der Alterung.[104] Es spielt eine wichtige Rolle bei der Reaktion der Pflanzen auf biotischen und abiotischen Stress, ausgelöst zum Beispiel durch Infektionen mit Krankheitserregern, Salzgehalt, Trockenheit, Staunässe, Sauerstoffmangel, Nährstoffmangel, Verletzung, Bodenverdichtung, Kälte und Hitze.[22][105] Bereits in Konzentrationen von nur 0,1 Parts per million in der Luft hat es Auswirkungen auf das Pflanzenwachstum und die Entwicklung.[104][106]
Im Allgemeinen hemmt Ethen das Wachstum von terrestrischen Pflanzen. Bei semiaquatischen Pflanzen wie Reis (Oryza sativa) dagegen beobachtet man eine Förderung des Sprosswachstums. Viele klimakterische Früchte wie Äpfel, Bananen und Tomaten zeigen im späten grünen Stadium einen steilen Anstieg der Ethylensynthese. Als Folge werden Chlorophylle ab- und andere Pigmente aufgebaut. Die typische Farbe der Fruchtwand entsteht. Die Aktivität etlicher für den Reifeprozess benötigter Enzyme nimmt zu. Stärke und organische Säuren, in einzelnen Fällen (z. B. bei der Avocadofrucht) auch Öle, werden zu Zuckern metabolisiert. Pektine, die den hauptsächlichen Bestandteil der Mittellamelle ausmachen, werden abgebaut. Die Früchte werden weich. Die Umsetzungen sind mit einer intensiven Zellatmung und einem hohen Sauerstoffverbrauch verbunden. In Trenngeweben ist der Ethengehalt besonders hoch was schließlich die Abszission der Früchte zur Folge hat. Reifende Früchte setzen Ethen frei und stimulieren damit in der Nähe befindliche spätreife Früchte zu einer frühen Reife. Da es für die Lagerung von Früchten wünschenswert ist, die Bildung oder die Verbreitung von Ethen zu verhindern, werden in der Obstwirtschaft Früchte bei Unterdruck gelagert, um frei werdendes Ethen zu entfernen.[107]
Ein Großteil der Erkenntnisse zum physiologischen Wirkungsmechanismus des Ethens wurde an der Modellpflanze Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana) gewonnen. Ethen entfaltet seine Wirkung als Inversagonist an Ethylenrezeptoren, die sich auf der Membran des endoplasmatischen Retikulums und des Golgiapparats befinden und dort als Homo- und Hetero-Dimere in Clustern vorkommen.[22] Es komplexiert mit seiner π-Bindung hochaffin über den Cofaktor Kupfer(I) an die in der Transmembrandomäne befindliche Ligandbindungsstelle der Rezeptoren.[108] Neben dem vorherrschenden Signaltransduktionspfad über die Serin/Threonin-Kinase CTR1 gibt es auch alternative CTR1-unabhängige Pfade.[105] Ethen führt zur Deaktivierung der konstitutiv aktiven Rezeptoren, indem CTR1 deaktiviert wird, was wiederum zur Dephosphorylierung des Proteins EIN2 führt. Infolgedessen wird der C-terminale Teil von EIN2 proteolytisch abgespalten und in den Zellkern verlagert. Dort stabilisiert es direkt oder indirekt die Transkriptionsfaktoren EIN3/EIL1/2, die die Transkription von hunderten primären und sekundären Ethenantwortgenen aktivieren.[109][106][105] Das erste identifizierte Zielgen dieser Proteine wurde als Ethen-Response-Faktor 1 (ERF1) beschrieben. Dieser Faktor steuert wiederum mehrere Gene, sodass bei der Wirkung von Ethen auf dieses System immer eine ganze Reihe von genetischen Aktivitäten ausgelöst wird.[110] Bei der Fruchtreifung müssen etwa verschiedene Enzyme zur Erweichung der Zellwand gebildet werden, bei der Seneszenz chitin- und celluloseabbauende Enzyme (Chitinasen, Cellulasen). Sehr umfangreich ist das Repertoire beim Pflanzenstress, also der durch Ethen ausgelösten Reaktion auf Schädlinge und Verwundungen. Produziert werden in dieser Situation unter anderen Chitinasen als Abwehrstoff gegen Insekten, Glucanasen, Proteinase-Inhibitoren, das sind Hemmstoffe für proteinabbauende Enzyme, gegen Pilze, und viele weitere Abwehrstoffe.
Bereits 1901 zeigte Dimitri Neljubov, dass Ethen bei Pflanzen die so genannte „Dreifachantwort“ auslöst. Diese tritt bei keimenden Wurzeln auf, die mit Ethen begast werden. Aufgefallen war der Effekt bei Pflanzen entlang defekter Stadtgasleitungen, die ein ungewöhnliches Wachstum zeigten. Es handelt sich dabei um eine Hemmung des Längenwachstums in Zusammenwirken mit einer Verdickung des Stängels und eine Deaktivierung des Gravitropismus, also des Wachstums in Richtung der Erdanziehungskraft. Diese Wirkung kommt zustande durch eine Umorientierung der Microtubuli, die als Skelettstrukturen die Wachstumsrichtung (Anlagerung von Cellulosefasern) des Keimes vorgeben. Sie werden von einer vertikalen in eine horizontale Orientierung gebracht. Als biologischer Sinn wird die Überwindung von Hindernissen angenommen: Ethen wird während des gesamten Wachstums gebildet und staut sich vor Hindernissen, an diesen kommt es zum Dickenwachstum und somit zu einer größeren Kraftentfaltung durch die Wurzelspitze.[22]
Der Ethen-Signalweg findet sich in der Süßwassergrünalge Spirogyra pratensis, also im aquatischen Vorfahr der sich während des Landgangs spätestens im Ordovizium entwickelnden Landpflanzen. Reguliert wird die Ethenantwort von anderen Hormonen wie Auxinen, Brassinosteroiden und Jasmonaten.[106] Ethen diffundiert aufgrund seiner Lipophilie und geringen Molekülgröße leicht durch Biomembranen und wird nicht metabolisiert. ACC wird über das Leitgewebe in der Pflanze auch über größere Strecken zum Wirkort transportiert.
1-Methylcyclopropen, das als Begasungsmittel zur Verlängerung der Haltbarkeit sowohl von Obst als auch Schnittblumen eingesetzt wird, wirkt als Ethylenrezeptor-Agonist und antagonisiert kompetitiv die Ethenwirkung. Auf dieselbe Weise wirken Norbornadien und trans-Cycloocten.[105] Die Wechselwirkung zwischen dem Ethylenrezeptor und EIN2 lässt sich durch das synthetische Octapeptid NOP-1 stören und die Weiterleitung des Ethen-Signals dadurch verzögern. Durch Behandlung mit NOP-1 lässt sich die Fruchtreifung etwa in Tomaten und Äpfeln unterdrücken.[111]
Die zweite Funktion des Ethens bezieht sich auf verschiedene Alterungsprozesse der Pflanze. Dazu gehören sowohl die Reifung von Früchten und die Entwicklung von Blüten als auch der Abwurf von Blättern (Abszission) oder das Absterben von Pflanzenteilen (Seneszenz). Wichtig für diese Funktionen ist die lawinenartige Steigerung der verfügbaren Ethenmenge, die dadurch zustande kommt, dass die Synthese von Ethen durch die Präsenz desselben aktiviert wird. Auf diese Weise reift etwa eine Frucht an allen Stellen zugleich. Die Wirkung bei der Reifung von Früchten wird in der Landwirtschaft ausgenutzt, um unreif geerntete Früchte nachträglich zu Stoffwechselvorgängen zu veranlassen, die die Früchte reifen lassen.[112]
Ebenfalls essentiell ist Ethen als „Alarmstoff“ bei Schädlingsbefall an der Pflanze sowie bei Verwundungen. Gemeinsam mit anderen Stoffen wie der Salicylsäure und Jasmonaten bewirkt das Ethen eine Abgrenzung des betroffenen Bereiches sowie die Bereitstellung von pflanzlichen Giften. Als Gas wirkt Ethen dabei auf benachbarte Pflanzenteile oder Pflanzen als Pheromon und setzt dort die Alarmkaskade in Gang. So kommunizieren Akazien über die Ausscheidung von Ethen an umstehende Akazien Gefahr, wenn sie von Antilopen oder Giraffen beweidet werden.[113]
Das Züchten von Pflanzen mit verringerter Ethen-Biosynthese oder veränderter Reizübertragung ist insbesondere in der Zierpflanzenindustrie bereits gängige Praxis.[114] In Tomaten wurde die Unterdrückung der Ethenbildung durch Gegenstrang-Expression der ACC-Synthase oder ACC-Oxidase erreicht. Daneben wurde ein mutierter und damit defekter Ethylenrezeptor in die Pflanze eingebracht.[107]
Ethen verbrennt an der Luft mit leicht rußender, leuchtender Flamme. Ethen ist hochentzündlich. Ethenbehälter müssen an einem gut belüfteten Ort aufbewahrt werden. Von Zündquellen ist es fernzuhalten und es müssen Maßnahmen gegen elektrostatische Aufladung getroffen werden. In Volumenanteilen von 2,4 bis 32,6 Mol-% in Luft bildet es explosive Gemische.[1] In hoher Konzentration wirkt Ethen narkotisch und reduziert in Luft den zum Atmen nötigen Sauerstoffgehalt.
Im Jahr 2008 kam es durch Reparaturarbeiten an einer Ethenpipeline in Köln-Worringen zum Austritt von Ethen. Das unter hohem Druck stehende Gas entzündete sich und führte zum Brand der Ethenpipeline und eines nahegelegenen Acrylnitriltanks. Das Feuer führte zum größten Feuerwehreinsatz in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg.[115]
Nach einer Exposition wird Ethen kaum verstoffwechselt und unverändert ausgeatmet. Bei hoher Exposition kann Ethen im Körper teilweise zu Ethylenoxid umgewandelt werden, einem bekannten Karzinogen. Bei Versuchstieren verursacht Ethylenoxid eine Reihe von bösartigen Tumoren, und auch beim Menschen wurden genotoxische Wirkungen beobachtet. Ethen könnte damit zum Krebsrisiko des Tabakrauchens beitragen.[116] Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) ordnete Ethen der Gruppe 3 zu. Dies sind nicht einstufbare oder wahrscheinlich nicht krebsauslösende Stoffe beim Menschen.[117]
Die Doppelbindung des Ethens kann mit Hilfe von Bromwasser nachgewiesen werden, da bei der Reaktion der beiden Stoffe das Brom unter Bildung von 1,2-Dibromethan verbraucht und dadurch das bräunliche Bromwasser entfärbt wird. Der Nachweis ist nicht spezifisch für Ethen und hat nur historische Bedeutung. Zu den Methoden für den Nachweis von Ethen in geringen Mengen, etwa bei der Untersuchung von durch Pflanzen freigesetzte Mengen, gehören die Gaschromatographie, der elektrochemische Nachweis und spektroskopische Methoden.[118] Zu den Prozessüberwachungsinstrumenten gehören Gaschromatographen und Explosimeter, die mit der Messung der Wärmetönung oder mit Infrarot-Messverfahren arbeiten.[56]