Franz von Gaudy (* 19. April 1800 in Frankfurt (Oder); † 5. Februar 1840 in Berlin) war ein deutscher Dichter und Novellist.
Franz Bernhard Heinrich Wilhelm Freiherr von Gaudy stammt aus dem Preußischen Militäradel. Sein Vater war Friedrich Wilhelm Leopold von Gaudi (1765–1823), Adjutant des Generalleutnants Franz Kasimir von Kleist, ab 1799 Major im Regiment von August Wilhelm Hermann von Zenge in Frankfurt an der Oder, die beide als Taufpaten Gaudys firmieren.[1] Seine Mutter war Gräfin Constantia Ottilie Franziska Johanna von Schmettau (Adelsgeschlecht) Pommerzig (1772–1817).[2] Von 1810 bis 1815 besuchte er das Französische Gymnasium in Berlin. Sein Vater war von 1809 bis 1813 Militärgouverneur des Kronprinzen, des späteren Friedrich Wilhelm IV. Dadurch kam er gelegentlich in die Gesellschaft des 4½ Jahre älteren Kronprinzen, woraus später fälschlich Gnadenerweise abgeleitet worden sind, z. B. wurde die in 15 Armeejahren mühsam verdiente geringe Pension als „kleine Zulage“ des Kronprinzen deklariert.[3] Von 1815 bis 1818 war Gaudy Schüler in Schulpforta, eine für ihn sehr positive Zeit. Er wollte in Göttingen Jura studieren, aber sein Vater bestimmte ihn wegen der ‛Demagogischen Umtriebe’ an den Universitäten zur Armee.
Gaudy trat im Herbst 1818 ins 1. Garde-Regiment zu Fuß in Potsdam ein. Im Februar 1819 wurde er Fähnrich und im Oktober Seconde-Lieutenant (Offizier). Anfangs unterstützte ihn der Vater finanziell, was ihm nach dem Kauf des Gutes Görbitsch Garbicz und einem zweiten Eheschluss nicht mehr möglich war. Gaudy begann Schulden zu machen, sein Vater ließ ihn 1821 ins 10. Infanterieregiment (1. schlesisches), Garnison Breslau/Brieg, versetzen.[4] Zunächst lebte er unbeschwert in Breslau, hatte engen Kontakt zum literarischen Kreis um Karl von Holtei (1798–1880), Theodor Brand (1796–1846) und Karl Schall (1780–1833), und begann mit der Publikation von Erzählungen und Gedichten in schlesischen Zeitschriften und Almanachen. Eine gänzliche Änderung der Situation bedeutete der dem Tod seines Vaters (1823) folgende Verlust des Erbes Gut Görbitsch 1825 aufgrund der damals herrschenden Finanz- und Agrarkrise. Das Gut wurde von der Familie von Risselmann (Adelsgeschlecht) erworben,[5] in deren Besitz es bis 1945 blieb. Als armer Leutnant aus dem besitzlosen Adel war Gaudy nun zum Verbleib beim Heer gezwungen. Mangelnde Finanzen und viele Schulden waren ihm fortan ein Problem, seither siegelte er schwarz. 1824/25 erfolgte auch die Trennung von seiner Verlobten Jenny von Rochow (1806–1879), einer Verwandten von Caroline de la Motte Fouqué. Aus Brzeg, dem weiter südlich an der Oder gelegenen Standort des Füsilierbataillons seines Regiments, ist diese Schulden-Szene überliefert: Gaudy schlug einem Schneider, der ihn wegen seiner Schulden bis dorthin verfolgte, ihn bedrängte und auf Zahlung bestand, im Zorn ein Ohr ab.[6]
Aufgrund dieses Vorfalls erfolgte 1825 im Frühjahr eine Festungshaft in Koźle[7] und die Strafversetzung ins 6. Infanterieregiment nach Głogów. Hier „konnte er sich mit größerer Ruhe den Studien hingeben. Er trat mit mehreren geistvollen dortigen Gelehrten in Verbindung“ (Lebenslauf).[8] Er lernte polnisch und war seither Polen im literaturischen und politischem Kontext sehr nahe.[9] 1827 gab es infolge eines Duells eine zweite Festungshaft, jetzt auf der Festung Silberberg (polnisch Twierdza Srebrnogórska). Gaudy war in seinem militärischen Leben an 12 Duellen beteiligt.[10] Er schrieb weiter Gedichte und Prosa, auch kleine Lustspiele, die er Dramatische Bagatellen nannte. 1829 erschien bei C. Heymann in Glogau sein erstes Buch: Erato, eine Sammlung von 3 Teilen mit Widmungen: 1. "Freud’ und Leid", Gedichte an Heinrich Heine, dessen Stil er nachbildet,[11] 2. "Wasserrosen", Prosa an August Blumröder, 3. "Elegien" an J. v. R., die ehem. Verlobte Jenny von Rochow. 1830 wurde das 6. Regiment wegen des polnischen Novemberaufstands ins Großherzogtum Posen Provinz Posen verlegt, eine infolge der politisch-militärischen Unruhe sowie des von Osten unaufhaltsamen Vordringens der asiatischen Cholera schwierige Zeit mit häufig wechselnden Standorten. Es gelang noch 1832 die Publikation von "Gedanken-Sprünge eines der Cholera Entronnenen", einer Sammlung satirischer Stücke (ohne Cholera-Bezug), deren wichtigste: "Nachrichten von den allerneusten Schicksalen des Hundes Berganza.", eine Weiterführung der Erzählung vom sprechenden Hund von Cervantes und E. T. A. Hoffmann[12] und "Gedankenspiele eines Drallenburger Unter-Lieutenants", ein bitterer Blick auf seine Armeezeit.
1833 erhielt Gaudy seinen Abschied vom Militär und lebte seither mit einer kleinen, nach 15-jähriger Armeezugehörigkeit erreichten Pension von 120 Talern jährlich[13] als Berufsschriftsteller in Berlin. Chamisso führte ihn in die Mittwochsgesellschaft ein, wo er mit Joseph von Eichendorff, Friedrich de la Motte Fouqué und Willibald Alexis und August Kopisch verkehrte.[14] Neben Chamisso arbeitete er an der Redaktion des Deutschen Musenalmanach mit. 1835 unternahm er eine Italienreise mit Franz Kugler, mit dessen Kunstverständnis er sympathisierte, und berichtete davon in Reisefeuilletons wie Mein Römerzug (1836) und humoristischen Erzählungen wie Aus dem Tagebuche eines wandernden Schneidergesellen, was sein populärstes Werk wurde. Seine zweite Italienreise von 1838 bis 1839 finanzierte er mit Artikeln in Cottas Morgenblatt für gebildete Leser, Allgemeine Zeitung und Das Ausland.
Völlig unerwartet starb Franz von Gaudy am 5. Februar 1840 im Alter von 39 Jahren an einem Schlaganfall, mitten in der Arbeit an seinem Versepos Der Geizhals von Mexiko. Die bereits zum Druck vorbereiteten Manuskripte seiner letzten Werke erschienen erst 1844 in der Gesamtausgabe.[15] Die Beisetzung fand auf dem Friedhof I der Jerusalems- und Neuen Kirchengemeinde vor dem Halleschen Tor im heutigen Berliner Ortsteil Kreuzberg statt.[16]
Gaudy begann mit kleinen Beiträgen in schlesischen Zeitungen und schrieb, angeregt durch seine Breslauer literarischen Freunde Karl Schall und Karl von Holtei, dramatische Szenen. 1829 erschien ein Band mit Gedichten und Prosa (Erato), deren erster Teil vom Stil Heinrich Heines beeinflusst war. Zusammen mit Chamisso übersetzte er Chansons von Pierre-Jean de Béranger (1838). In seinem Romanzenepos Kaiser-Lieder (1835) huldigte er Napoleon, was ihm beim Publikum Erfolg brachte, ihn aber zugleich im politisch reaktionären Klima der Restaurations- und Biedermeierzeit zum „umstrittenen Autor“ machte. Populär wurde er durch seine Reiseberichte (Mein Römerzug, Berlin 1836, 3 Bde.) und Erzählungen aus Italien, besonders die Venetianischen Novellen und die humoristische Erzählung Aus dem Tagebuch eines wandernden Schneidergesellen. Als Novellist schätzte man an ihm seinen humoristischen Einschlag und die phantasievolle Lebendigkeit seiner Erzählweise.
Meyers Großes Konversationslexikon Band 7, (Leipzig 1907), S. 389–390 urteilt: „Seine Neigung zu humoristischen Pointen und zum epigrammatischen Zusammenpressen poetischer Gedanken machte ihn in seinen frühern Liedern (. . .) zum Nachahmer der Heineschen Manier, von der er sich jedoch in der Folge wieder lossagte. Seine lyrischen Gedichte sind von ungleichem Wert, bald echt und innig, bald reflektiert und gekünstelt pointenreich. In seinen Chansons strebte er seinem Vorbild Béranger erfolgreich nach, namentlich in seinen »Kaiserliedern« (Leipz. 1835) auf Napoleon I., die jener in den Tagen der Restauration erwachten oppositionellen Stimmung entstammen, die sich darin gefiel, für den Sohn der Revolution und den Heros gewaltiger Schlachten und Bewegungen gegenüber dem herrschenden Ouietismus und der polizeilich überwachten Ruhe Partei zu ergreifen.“
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war Gaudy ein vielgelesener Autor, geriet danach aber in Vergessenheit. Theodor Heuß vermutet einen Einfluss Gaudys auf Julius Stindes Buchholzens in Italien.[17] Rudi Schweikert hat eine Fülle von Zitaten und Motiv-Übernahmen aus Gaudys Werken bei Arno Schmidt nachgewiesen.[18]
Seit 1903 erinnert die Gaudystraße im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg an ihn.
Gaudys Grab befindet sich neben den kunstgeschichtlich bedeutenden Grabmälern seines Großonkels, des preußischen Staats- und Kriegsministers Leopold Otto von Gaudi (1728–1789), dessen Tochter Marie (1768–1786) sowie des Generals Friedrich Wilhelm von Lüderitz (1717–1785), alle mit grober Überdachung vor Witterungseinflüssen geschützt.[16]
Die Grabstätte Franz von Gaudys war nach dem Zweiten Weltkrieg wild überwachsen und wegen des fehlenden Grabsteins nicht mehr zu erkennen, auch der Friedhofsverwaltung unbekannt. In Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Friedhofsverband Berlin Stadtmitte und der Stiftung Historische Kirchhöfe und Friedhöfe in Berlin-Brandenburg wurde die Grabstätte im Jahr 2018 durch Niederlegung eines Kissensteins restituiert.[19] Das wurde mit einem Gedenken an der Grabstätte am 29. September 2018 begangen.
Personendaten | |
---|---|
NAME | Gaudy, Franz von |
ALTERNATIVNAMEN | Gaudy, Franz Bernhard Heinrich Wilhelm von; Gaudy, Franz B. von; Gaudy, Franz Bernhard Wilhelm von; Gaudy, Franz Bernhard von; Gaudy, Franz |
KURZBESCHREIBUNG | Dichter und Novellist |
GEBURTSDATUM | 19. April 1800 |
GEBURTSORT | Frankfurt (Oder) |
STERBEDATUM | 5. Februar 1840 |
STERBEORT | Berlin |