Die Institutiones Iustiniani (häufig: Institutionen, kurz: Inst. oder I.; altgriechisch Εἰσηγήσεις)[1] sind ein Gesetzeswerk des oströmischen Kaisers Justinian. Die als Lehrbuch konzipierten Institutionen bauen auf den hochklassischen gaianischen Institutionen auf und erhielten ihre Gesetzeskraft als Bestandteil des später so genannten Corpus iuris civilis, zu dem auch der Codex Iustinianus, die Digesten und ab dem Jahr 535 die Novellae, eine Sammlung aktueller Einzelgesetze des Kaisers, gehören.[2][3]
Die Institutionen sind eine Schriftensammlung zur Einführung in die Digesten und gelten als maßgebliches didaktisches Lehrbuch des römischen Rechts.[4] Bereits die dem Werk als Vorbild dienenden Institutionen des Gaius waren als Lehrbuch für Anfänger konzipiert, präzise formuliert aber in einfacher Fassung wiedergegeben. Gedacht war es für jene die sich seit kurzem dem Studium der Gesetze widmen und eine fortgeschrittene Lehre nicht verstehen können [...](constitutio Tanta/Δέδωκεν,§ 11).[5]
Justinian übernahm nicht nur die Bezeichnung Institutionen, Schema eines Ordnungs- und Regelsystems, sondern auch weitgehend (nämlich zu etwa 2/3) den Inhalt des gaianischen Vorbilds. Daneben stellte er Auszüge aus Lehrwerken anderer Juristen,[6] darunter Arbeiten der wirkmächtigen Vertreter ihrer Zunft, Ulpian und Papinian.[7]
Die abgehandelten Rechtsmaterien waren weit gefasst, vornehmlich handelte es sich um Privatrecht. Weitere Aufmerksamkeit widmeten die Institutionen der Rechtsquellenlehre. Für das heutige Verständnis etwas ungewöhnlich wirkt die Integration des Verfahrensrechts (Privatprozessrecht). Da einzelne Rechtsgebiete staatlichen Hoheitsansprüchen noch nicht unterlagen, war auch Strafrecht Bestandteil der Rechtsordnung.[4] Der Charakter der Normen folgt keiner ausgesprochenen Gebotsstruktur, vielmehr lag die klassisch-wissenschaftliche Darstellungsmethode zu Grunde, die Schaffung von „Inbegriffen“. Beschrieben wurden die Strukturen und Rechtsbeziehungen, die zwischen Personen untereinander und zwischen Personen und Sachen sowie zwischen Sachen und Sachen bestanden. Ausgegangen wurde von einem aus der Antike herrührenden „freiheitlichen Menschenbild“, dessen Grundbegriffe im Spannungsfeld zwischen Person, Besitz und Vertrag zu definieren waren.[8]
Beide Anfängerlehrbücher, sowohl die gaianischen als auch die iustinianischen Institutionen, dienten der juristischen Ausbildung. Darüber hinaus erhielten sie von Justinian beide Gesetzeskraft (funktionaler Doppelcharakter).[9] Das führte dazu, dass die urtextlichen, formaljuristisch präzise verfassten, Rechtsausführungen gelegentlich von Reformgesetzen Justinians unterbrochen wurden, deren Syntax überdies bruchbildend wirkte, da sie vergleichsweise verschachtelt formuliert waren und manieriert wirken.[7] Andererseits wird hier bereits deutlich, was für die späteren Naturrechtskodifikationen des 19. Jahrhunderts (prALR, CC) erkennbar ebenfalls gilt, dass erstmals ein Schulterschluss zwischen Gesetzgebung und Rechtswissenschaft vollzogen wird, ein Bündnis zwischen Gesetz und Dogmatik.[8]
Für die Redaktion zeichneten zwei römisch-griechische Rechtslehrer (antecessores) verantwortlich, Dorotheos und Theophilos. Die Verfasser lehrten an den Rechtsschulen von Beirut und Konstantinopel. Das Werk entstand – federführend von Tribonianus[10] vorangetrieben – nach Erscheinen der ersten Fassung des Codex Iustinianus im Jahr 529, aber zeitgleich mit den 533 promulgierten Digesten.[3] Didaktisch deckten die Institutionen das 1. Studienjahr ab, die Digesten führten den Stoff dann für die Studienjahre 2 bis 4 fort.[9] 533 wurde im Annex zum Text eine neue Studienordnung eingeführt.[11]
Die Institutionen bestehen aus vier Büchern. Unterteilt sind sie in Sachtitel und Paragraphen. Auffällig anders als in den Digesten, präsentieren sich die Sachtitel textlich durchlaufend gestaltet. Sie sind nicht durch Quellenangaben unterbrochen, diese wurden vielmehr an anderer Stelle gesetzt.[12] Das Werk wird in Abgrenzung zum Fortgeschrittenenlehrbuch nicht „vier“-zahlig, sondern „drei“-zahlig zitiert, nach „Buch“, „Titel“ und „Paragraph“, etwa: Inst. 4,3,16.[11]
Die Kodifikation fällt in die Zeit der maximalen Ausdehnung und Blüte Ostroms[13] und sollte ein gesamtheitliches Versprechen einlösen, das dem knapp einhundert Jahre zuvor verfassten Codex Theodosianus nur zum Teil vergönnt war. Anspruch an die und Aufgabe der Institutionen war es, die Prinzipien der Rechtsordnung den Studenten zu vermitteln, was durchaus klassischer Rechtstradition entsprach. Gleichzeitig sollten sie eine Orientierungshilfe für die kompilierten und deshalb nicht einfacher gestalteten Stoffgebiete der Digesten geben, worin es hieß, eine umfangreiche Zusammenstellung von Fragmenten aus Gutachten (responsae oder auch namengebend: digestae), Kommentaren und Lehrwerken bedeutender römischer Juristen aus der Zeit des 1. Jahrhunderts vor Chr. bis Mitte des 3. Jahrhunderts, vornehmlich der Spätklassiker Ulpian und Paulus zu vereinen.[11]
Am 21. November 533 wurden die elementa (constitutio Imperatoriam maiestatem), ein zeitgemäßes, rundum modernes Lehrwerk ratifiziert. Es war um die Gesetze bereinigt worden, die in der Spätantike überholt waren. Dafür enthielt es eine Vielzahl von Quellenverweisen.[14] Dieses Lehrbuch bedurfte zu seiner Anerkennung hinreichender Autorisierung, weshalb Justinian ein Kommentierungsverbot aussprach.[15] Enthalten waren die Reformgesetze des Kaisers (Novellae).[11] Im möglicherweise zeitgleich – wahrscheinlich aber erst um 556 entstandenen – Authenticum erfolgten Übersetzungen der Institutionen vom Lateinischen ins Griechische zunächst wörtlich („kata poda“ – „auf dem Fuß folgend“) was bei juristischen Texten meist konsequent ad verbum geschah;[16] später diktierten sie ihre anmerkenden Erläuterungen dazu (paragraphaí).[17]
Spätantike Vorläufer der justinianischen Kodifikation waren die Privatsammlungen des Codex Gregorianus, der die Konstitutionen von Hadrian bis Diokletian umfasste und der Codex Hermogenianus, der sich einschränkte und die Erlasse Diokletians einbezog. Auch hier wurde neben das Juristenrecht (ius) die Kaisergesetzgebung (leges) gestellt. In diesem Zusammenhang hatten zudem die Fragmenta Vaticana und die lex Dei Bedeutung.
Als überragend kann der Einfluss des bereits genannten Codex Theodosianus gelten, denn er prägte nicht nur das Recht ab der Mitte des 5. Jahrhunderts, da er zur offizialisierten Zusammenstellung der Kaisergesetzgebung seit Konstantin avancierte, erstmal verfolgte er den (letztlich gescheiterten) Versuch der Erstellung einer umfassenden Sammlung von Juristen- und Kaiserrecht.
Für den Rechtsunterricht erläutert wurden die Institutionen wohl durch die so genannte Turiner Institutionenglosse, die aller Ansicht nach zwischen 543 und 546 n. Chr. entstanden war.[18]
Textstellen aus den Institutionen tauchten auch in den gegen 900 n. Chr. in Griechisch abgefassten Basiliken auf, entnommen einer griechischen Paraphrase, die auch außerhalb der Überlieferung der Basiliken nahezu vollständig erhalten geblieben ist.[1] Manche Basilikenhandschriften enthalten umfangreiche Randbemerkungen, sogenannte Scholien. Für die Forschung sind sie wertvolle Zeugnisse, denn sie lassen an zahlreichen Stellen Vergleiche zwischen vorjustinianisch-klassischem Recht und den justinianischen Kodifikationen zu. Ohne deren Existenz wäre noch deutlich weniger über die Rechtsentwicklung bis zum Ende des 2. Jahrhunderts bekannt.[17]
Ab dem Hochmittelalter und bis tief in das 19. Jahrhundert hinein standen die Institutionen an den europäischen Universitäten sowohl am Anfang als auch am Ende eines Rechtsstudiums.[7] Dafür waren vornehmlich die italienischen Rechtslehrer des 12. und 13. Jahrhunderts, die Glossatoren, verantwortlich. Im Jahr 1240 veröffentlichte Accursius eine Textausgabe des Corpus iuris, die Glossa ordinaria.[17]
Die systematische Methode der Glossatoren bestand darin, in den Grundtext eigene Randanmerkungen zu setzen beziehungsweise Verweise zu machen und dazu Erläuterungen zu geben. Im 14. Jahrhundert wurde dieser Stil aufgegeben. Stattdessen wurden systematische Großkommentare erstellt, deren Verfasser waren die so genannten Kommentatoren. Auch sie hatten das Gesamtwerk im Auge und stimmten die Bedürfnisse der Praxis des römischen Rechts mit dessen Lehren ab. Insbesondere die in Oberitalien wirkenden Rechtslehrer Bartolus und Baldus machten sich einen großen Namen, sodass unter Andauer eines blühenden Wirtschaftsalltags vom mos italicus gesprochen wurde.[17]
Im 16. Jahrhundert traten die Experten der „humanistischen (eleganten) Jurisprudenz“ in Erscheinung, so etwa Jacques Cujas, Hugo Donellus und Dionysius Gothofredus. Sie alle prägten den mos gallicus, einen französischen Rezeptionsstil. Der usus modernus pandectarum bescherte – nachdem mit Ulrich Zasius ein erster Vorläufer des deutsch geprägten gemeinen Rechts gegen 1495 n. Chr. schon mal aufblitzen konnte – der justinianischen Gesetzgebung im 17. und 18. Jahrhundert endlich auch in Deutschland eine Blütezeit. Erste zarte Anzeichen für das Entwicklungspotential von überpositivem Recht konnten genauso wahrgenommen werden wie die sich dagegen stellende Dogmatik der der Pandektistik verpflichteten historischen Rechtsschule.[9] So stand der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756 noch in der Tradition des usus modernus, wenngleich er vernunftsrechtlich überlagert war. Weit weniger auf dem römischen Recht und viel mehr auf Vernunftsrecht basierte – abgesehen von der oben beschriebenen Verschmelzung von Elementen der Gesetzgebung und der Rechtswissenschaft – das 1794 kodifizierte Preußische Allgemeine Landrecht (prALR), Wegbereiter des Liberalismus und der Aufklärung.[17]
Das in den Institutionen konzentrierte Privatrechtsdenken erlangte große Bedeutung für die modernen europäischen Privatrechtskodifikationen. Ob im deutschen BGB, im schweizerischen ZGB, im österreichischen ABGB, im französischen Code civil, im spanischen Código Civil, im italienischen Codice civile oder im niederländischen Burgerlijk Wetboek: es finden sich zahllose Abhängigkeiten und Entsprechungen zu den Begrifflichkeiten und Regelungen des römischen Ausgangswerks. Konrad Zweigert weist zudem darauf hin, dass die sprachliche Verschiedenheit der Rechtsordnungen nicht zu der Erkenntnis führen könne, dass daraus auch eine unterschiedliche Rechtsfamilien herzuleiten wären.[19][20] Sie folgen – nach eindrücklichem Nachweis durch Berthold Kupisch[21] – einem mehr oder weniger modifizierten Institutionensystem[22] (vgl. aber auch Pandektenwissenschaft).