Karl Lorenz Binding (* 4. Juni 1841 in Frankfurt am Main; † 7. April 1920 in Freiburg im Breisgau) war ein deutscher Rechtswissenschaftler mit dem Hauptarbeitsgebiet Strafrecht. Er lehrte von 1873 bis 1913 als Professor für Strafrecht an der Universität Leipzig.
Karl Binding entstammte einer alteingesessenen Frankfurter Bierbrauerfamilie. Sein Vater Georg Christoph Binding (1807–1877) war Appellationsgerichtsrat und ordentlicher Professor in Basel. Karl Binding studierte 1860–1863 in Göttingen Rechtswissenschaft und Geschichte. Er wurde 1863 mit einer rechtshistorischen Arbeit zur Natur der inquisitio des römischen Strafprozesses zum Dr. jur. promoviert. Nach seiner Habilitation 1864 in Heidelberg wurde er 1866 als ordentlicher Professor für Öffentliches Recht an die Universität Basel berufen. Vier Jahre später wechselte er auf einen Lehrstuhl für Strafrecht an der Universität Freiburg im Breisgau, 1872 folgte er dem Ruf auf einen ebensolchen an die nach dem Deutsch-Französischen Krieg neuerrichteten Kaiser-Wilhelm-Universität Straßburg.
Von 1873 bis 1913 lehrte Binding als ordentlicher Professor für Strafrecht an der Juristenfakultät der Universität Leipzig, deren Dekan er während sechs akademischer Jahre war (1876/77, 1884/85, 1889/90, 1893/94, 1899/1900, 1907/08). In den akademischen Jahren 1892/1893 und 1908/1909 war er Rektor der Universität Leipzig. Sein Rektorat von 1909 – dem 500. Jahr des Bestehens der Universität – wurde auch in einem Gemälde von Eugen Urban zusammen mit den Dekanen festgehalten. Das Gemälde befindet sich noch heute im Rektoratsgebäude der Universität.
Die Stadt Leipzig ernannte ihn 1909 in seiner Funktion als Rektor des Universitätsjubiläums in Wertschätzung für die Universität zum Ehrenbürger. Ebenfalls 1909 erhielt er von der Universität Leipzig den Ehrendoktortitel.[1] Die Ehrenbürgerwürde wurde ihm am 19. Mai 2010 wegen seines, mit dem Psychiater Alfred Hoche zusammen verfassten, für die nationalsozialistischen „Euthanasie“-Aktionen maßgeblichen Werkes Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. Ihr Maß und ihre Form vom Leipziger Stadtrat aberkannt.[2]
Binding wurde 1920 auf dem Hauptfriedhof Freiburg im Breisgau bestattet.
Bindings Sohn Rudolf G. Binding war ein bekannter Schriftsteller.
Nach Binding sind es nicht die Strafgesetze, die von Verbrechern verletzt werden (im Gegenteil: ihre Handlungen erfüllen ja gerade die Tatbestandsmerkmale), sondern die – dem öffentlichen Recht angehörenden, von Strafgesetzen fundamental verschiedenen – „Normen“. Die Strafgesetze erlauben es aber immerhin, die Normen, die ihnen zugrunde liegen, zu erkennen (gedankliche Umwandlung in einen Befehl).
Bindings Normentheorie sieht das Wesen des Verbrechens in der Verletzung des staatlichen Anspruchs auf Gehorsam gegenüber den Normen als Sonderform des „Do ut des“. Da der Staat den Einzelnen durch die Rechtsordnung vor der Verletzung seiner Rechte schützt, kann der Staat vom Bürger auch die Respektierung der Rechtsordnung verlangen. Wer ein Verbrechen begeht, verletzt die entsprechende Norm und gefährdet die Autorität des Gesetzes. Da es Binding vor allem auf die Respektierung der Rechtsordnung ankam, bestand für ihn ein ganz wesentlicher Unterschied zwischen bewusster und unbewusster Auflehnung gegen das Recht. Eine Vorsatzstrafe sollte im Gegensatz zur Rechtsprechung nur dann greifen, wenn der Täter das Unrecht seiner Tat erkannt hatte (sog. Vorsatztheorie).
Um die Autorität des Gesetzes zu bewahren, bedarf es nach Binding der Strafe, worunter er eine vom Staat erzwungene Einbuße des Täters an Rechten oder Rechtsgütern verstand. Die Strafe und der Strafvollzug dienen nicht der Resozialisierung o. ä., sondern allein der „Unterwerfung des Verbrechers“ unter die siegreiche Gewalt des Rechts. Wie und wozu die Strafe ansonsten vollzogen wird, interessiert Binding darüber hinaus allenfalls am Rande. Das bringt Binding in Konflikt mit der präventiv orientierten modernen oder soziologischen Richtung der Strafrechtswissenschaft um Franz von Liszt und dessen Konzept der „Zweckstrafe“, die im Gegensatz zur klassischen, an der Vergeltungstheorie festhaltenden Schule[3] steht.
Weiterhin ist Binding bekannt für den von ihm geprägten juristischen Vermögensbegriff, der im Rahmen der Betrugsstrafbarkeit für viele Jahre die juristische Diskussion um die Bestandteile des strafrechtlich geschützten Vermögens geprägt hat. Heute ist seine Auffassung hingegen weitgehend vom vermittelnden juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff verdrängt worden.[4]
In einem anderen Licht erscheint Binding in seiner gemeinsam mit Alfred Hoche verfassten Broschüre Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens, die kurz nach Bindings Tod herausgegeben wurde. Darin sprechen sich die Autoren dafür aus, die Tötung unrettbar Kranker und Verwundeter sowie unheilbar „Verblödeter“ nach Maß und Form zu erlauben.[5] Das „absolut zwecklose Leben“ der „unheilbar Blödsinnigen“, die für ihre „Angehörigen wie für die Gesellschaft eine furchtbar schwere Belastung bilden“, war Binding zufolge weder von einem rechtlichen noch von einem sozialen, sittlichen oder religiösen Standpunkt betrachtet geschützt und daher auf Antrag zur Tötung freizugeben.[6]
Personendaten | |
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NAME | Binding, Karl |
ALTERNATIVNAMEN | Binding, Karl Lorenz |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Jurist, Professor für Strafrecht |
GEBURTSDATUM | 4. Juni 1841 |
GEBURTSORT | Frankfurt am Main |
STERBEDATUM | 7. April 1920 |
STERBEORT | Freiburg im Breisgau |