Katja Lange-Müller ist die Tochter von Inge Lange (1927–2013), die eine führende Politikerin in der DDR war. Nachdem sie mit 16 Jahren wegen „unsozialistischen Verhaltens“ von der Schule verwiesen worden war, machte sie eine Lehre als Schriftsetzerin und arbeitete anschließend als Bildredakteurin bei der Berliner Zeitung. Nach einer einjährigen Tätigkeit als Requisiteurin beim DDR-Fernsehen war sie mehrere Jahre Hilfsschwester auf geschlossenen psychiatrischen Stationen der Berliner Charité und des Krankenhauses für Neurologie und Psychiatrie Berlin-Herzberge.
Im April 2022 unterzeichnete Lange-Müller den von Alice Schwarzer initiierten „Offenen Brief an Kanzler Olaf Scholz“, der sich aus Sorge vor einem Weltkrieg als Folge des Russischen Überfalls auf die Ukraine 2022 unter anderem gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine ausspricht. Doch nach einer Reise nach Estland bezeichnete sie ihre Unterschrift als Fehler, da die Unterzeichner des Offenen Briefs „die grund- und schuldlos Angegriffenen, nämlich die Ukraine, quasi zur Kapitulation auffordern“. Sie kritisierte, dass die Unterzeichner sich als „die moralisch Überlegenen, die Vernünftigen, die Friedliebenden“ gäben.[5]
Lange-Müllers Werk besteht aus Erzählungen und Romanen, in die auch Erfahrungen aus ihrem bewegten Leben einfließen. Obwohl es sich dabei oft um Geschichten über gesellschaftliche Außenseiter und Versager handelt, wird immer wieder die komische und groteske Seite von deren Schicksalen betont. Auch in der Auseinandersetzung mit der deutschen Teilung und den Zuständen in der DDR macht sich Lange-Müllers ausgeprägt satirische Ader bemerkbar.
„In ihren Werken nutze sie Komik als eine ‚Art Notwehr‘, so Lange-Müller. ‚Wenn ein großer Dicker einem kleinen schwächlichen Dünnen bedrohlich nahe kommt und ihm auf die Schnauze hauen will, hat der kleine Dünne nur eine Chance: Er muss den großen Dicken zum Lachen bringen. Dann haut er ihn nicht mehr.‘“
Der Roman Unser Ole (2024) erzählt die Geschichte der 76-jährigen Ida, die sich von Männern aushalten ließ, aber im Alter mittellos geworden ist. Sie zieht in eine WG mit der Witwe Elvira, die ihren geistig zurückgebliebenen Enkel Ole betreut, und gerät in eine Konstellation aus Abhängigkeiten. Die Machtverhältnisse in dieser Gemeinschaft verschieben sich, als Elvira stirbt und der Verdacht auf Ole fällt. Manuela, Oles Mutter, interessiert sich hauptsächlich für das Erbe und demütigt Ida, während Ole sich als einziger aus den Abhängigkeiten befreit. Der Roman strebt einen psychologisch fundierten Realismus und einen schnoddrigen Erzählton an.[7]
mit Patrick Braatz und Verena Kämpf: Werkstattgespräch mit Katja Lange-Müller: Klimmzüge am Rand des eigenen Horizonts. Frühwerk-Verlag, Oldenburg 2008, ISBN 978-3-941295-03-2.
Kateryna Stetsevych (Hrsg.): Verschiedene Wörter. In Lost Words – Lost Worlds: eine europäische Sprachreise. Edition fotoTAPETA, Berlin 2013, ISBN 978-3-940524-20-1.
Bahnhof Berlin: Erzählungen, Berichte, Reden, Briefe und Gedichte; fünfunddreißig Autorinnen und Autoren erzählen von ihrem Berlin. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1997, ISBN 3-423-08392-1.
Vom Fisch bespuckt: Neue Erzählungen von 37 deutschsprachigen Autorinnen und Autoren. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2002, ISBN 3-462-03073-6.
Herlinde Koelbl: Katja Lange-Müller. In: Im Schreiben zu Haus – Wie Schriftsteller zu Werke gehen –;Fotografien und Gespräche. München: Knesebeck Verlag 1998. S. 58–63, ISBN 3-89660-041-9. Fotodokumentation Lange-Müllers, die die Autorin an ihrem Arbeitsplatz und im persönlichen Umfeld porträtiert und im Interview sowohl Grundlage ihrer Berufung als auch Rahmenbedingungen und individuelle Vorgehensweise bei der Entstehung ihrer Werke darstellt.
Linda Karlsson Hammarfelt: Praktiken im Zwischenraum. Transitorisches Schreiben bei Katja Lange-Müller. München: Iudicium 2012, ISBN 978-3-86205-313-1.
Daniel Sich: Aus der Staatsgegnerschaft entlassen. Katja Lange-Müller und das Problem humoristischer Schreibweisen in der ostdeutschen Literatur der neunziger Jahre. Frankfurt am Main [u. a.]: Lang 2003, ISBN 3-631-51405-0.
Markus Symmank: Karnevaleske Konfigurationen in der deutschen Gegenwartsliteratur. Untersuchungen anhand ausgewählter Texte von Wolfgang Hilbig, Stephan Krawczyk, Katja Lange-Müller, Ingo Schulze und Stefan Schütz. Würzburg: Königshausen und Neumann 2002, ISBN 3-8260-2146-0.
↑Ulrike Petzold: Katja Lange-Müller. In: Nordwestradio-Sendung „Gesprächszeit“. 21. August 2012, archiviert vom Original am 19. November 2012; abgerufen am 11. Januar 2023 (Archiv-Version aufrufbar, aber nicht abspielbar).
↑David Ensikat: Nachruf auf Wolfgang Müller (Geb. 1941): Der kleine Bruder. In: tagesspiegel.de. 10. Januar 2014, abgerufen am 11. Januar 2023. Julia Encke: Roman über das Helfersyndrom: Ich hatte nichts zu verlieren. In: faz.net. 9. August 2016, archiviert vom Original am 30. Juli 2021; abgerufen am 30. Juli 2021: „Wolfgang Müller, mit dem ich verheiratet war, das war der Bruder von Heiner, hat in meinen Sachen gewühlt und das Manuskript gefunden. Wahrscheinlich wollte er vor Heiner mit seiner neuen Freundin angeben. Wolfgang und ich haben uns nicht besonders gut verstanden. Wir hatten nur geheiratet, um uns dann wieder scheiden lassen zu können.“
↑Carsten Otte: Neuer Roman von Katja Lange-Müller: Ungeliebte Kinder. In: Die Tageszeitung: taz. 20. Oktober 2024, ISSN0931-9085 (taz.de [abgerufen am 21. Oktober 2024]).