Luigi Pirandello (* 28. Juni 1867 in Girgenti, dem heutigen Agrigent, Sizilien; † 10. Dezember 1936 in Rom) war ein italienischer Schriftsteller. Er wird zu den bedeutendsten Dramatikern des 20. Jahrhunderts gezählt und erhielt 1934 den Nobelpreis für Literatur.
Pirandello wurde auf einem kleinen Landgut mit dem Namen Caos (dt.: Chaos) in einem Vorort von Agrigent als Sohn eines Schwefelgrubenunternehmers geboren. Er wuchs auf in Agrigent und Palermo und veröffentlichte schon während der Schulzeit erste literarische Versuche. Nach der Beendigung der Schule 1887 studierte er 1888/89 Romanische Philologie in Rom und vom Wintersemester 1889/90 bis zum Sommersemester 1891 an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. In Bonn promovierte er über das Thema Laute und Lautentwicklung der Mundart von Girgenti, wurde allerdings nie Lektor am Romanischen Seminar, auch wenn er das mehrfach ankündigte. Heute erinnert eine Erinnerungsplakette[1] an sein damaliges Wohnhaus, Breite Straße 83, und eine nach ihm benannte Straße im Bonner Ortsteil Ippendorf[2][3] an seine Zeit in Bonn.
1892 kehrte Pirandello nach Italien zurück, ließ sich in Rom als freier Schriftsteller nieder und arbeitete als Journalist, bestritt seinen Lebensunterhalt aber hauptsächlich aus Zuwendungen seines Vaters und später den Erträgen der Mitgift seiner Frau. Er heiratete Ende Januar 1894 Antonietta Portulano; aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. 1897 wurde er in Vertretung Hochschuldozent für Italienische Stilistik an der Pädagogischen Akademie in Rom, 1904 musste er nach dem Konkurs seines Vaters, bei dem auch die Mitgift Antoniettas verloren ging, tatsächlich als Schriftsteller und Professor die Familie erhalten. 1908 wurde er an diesem Institut zum Ordentlichen Professor ernannt. Diese akademische Stellung behielt er bis 1922. Seine Frau erkrankte psychisch und musste schließlich 1919 in einer geschlossenen Anstalt untergebracht werden; dort starb sie 1959.[4]
Bereits 1904 erzielte Luigi Pirandello einen ersten großen Erfolg mit seinem Fortsetzungsroman Mattia Pascal, der bereits 1905 als „Der gewesene Matthias Pascal“ in Deutschland erschien. Erst in den 1910er Jahren wandte er sich dem Drama zu, dem Gebiet, das ihm weltweit literarischen Ruhm einbringen sollte. 1921/22 hatte er großen, teilweise von Skandalen begleiteten Erfolg mit seinen Stücken Sechs Personen suchen einen Autor und Heinrich IV. 1924 eröffnete er ein eigenes Theater, das Teatro d’Arte in Rom, weil Mussolini seine Unterstützung für eine grundlegende Modernisierung des italienischen Theaters zugesagt hatte. Da diese Zusage nicht eingehalten wurde, ging er danach mit seiner Truppe auf Tourneen, die ihn durch Europa und nach Südamerika führten, musste sie aber 1928 auflösen und ging in ein freiwilliges Exil nach Berlin, 1930 dann weiter nach Paris. 1934 erhielt er den Nobelpreis und kehrte nach Rom zurück, wo er am 10. Dezember 1936 starb. Sein Wunsch war, dass sein Körper verbrannt und seine Asche nach Caos bei Agrigent gebracht würde. Andrea Camilleri beschrieb später den grotesken Umgang mit Pirandellos Asche, bei dem auch Zuschreibungen seines Verhältnisses zum Faschismus eine Rolle spielten.[5]
In der einschlägigen Literatur wird Pirandellos Verhältnis zum Faschismus durchwegs ambivalent charakterisiert. Unzweifelhaft ist, dass er 1924 ein Telegramm an Mussolini schickte, in dem er in betont unterwürfigem Ton um die Aufnahme in die Faschistische Partei bat,[6] der er zeitlebens verbunden blieb,[7] wofür er teils heftig kritisiert wurde. Auf der anderen Seite geht Pirandellos Werk, in dem das Leben als »groteskes Maskenspiel«[8] wahrgenommen wird, was »konsequenterweise auch für den politischen Bereich gelten [muss]«[8] durchaus nicht mit der faschistischen Doktrin konform. Bei Tourneen in Südamerika zeigte er sich offen für politisch Exilierte und erntete damit Kritik unter den Faschisten, der er durch demonstratives Zerreißen seines Parteiausweises begegnete – worauf man ihn um Verzeihung bat und einen neuen Ausweis ausstellte. Insofern interessant ist ferner ein Zitat, in dem er sich als »unpolitisch« bezeichnete.[9] Auch deshalb bestehen Ansätze, die Pirandellos Nähe zum Faschismus mit indirekten Beweggründen in Verbindung setzen, so etwa mit dem tiefen Misstrauen, mit dem er den vorangegangenen Regierungen begegnete. Ein eher pragmatisches Motiv könnte darin bestanden haben, dass er nach Unterstützung für seine Theatergesellschaft suchte und sie nur dann finden konnte, wenn er selbst sich in den Reihen der Faschisten befand.
Pirandello meinte zunächst, „nur in Versen schreiben zu können“ – und tatsächlich ist sein Jugendwerk bis zur Jahrhundertwende dominant der Lyrik und der Form des Versepos gewidmet. Allerdings ist er da in der Form allzu weit hinter der internationalen Entwicklung zurück und daher auch wenig erfolgreich. Unter dem Einfluss der Veristen (Luigi Capuana) beginnt er Kurzerzählungen und Romane zu verfassen, die freilich sofort inhaltlich die veristische Grundannahme eines „objektiven Erzählens“ und der notwendigen Folge von Ursache und Wirkung in Frage stellen: Von seinem ersten Roman Die Ausgestoßene (1893, veröffentlicht 1901) an regiert der Zufall, die – wie er es nennt – Streiche, die Leben und Tod den Menschen spielen (so der Titel einer frühen Novellensammlung). Mit dem Roman Il fu Mattia Pascal (Mattia Pascal (1904)) beginnt sein nationaler Ruhm, besonders in den späten Romanen (Aufzeichnungen des Kameramanns Serafino Gubbio, 1915; Einer, keiner, hunderttausend, 1925) lotet er die Grenzen des traditionellen Erzählens aus. Insbesondere der letzte Roman ist teilweise fast als Dialog mit dem Leser gestaltet, der dabei immer wieder lächerlich gemacht wird. Grundlage seiner Ästhetik ist dabei der von ihm ursprünglich in seiner Habilitationsschrift von 1908 entwickelt Umorismo, der sozusagen an der Grenze zwischen Komischem und Tragischem angesiedelt ist: das Lachen des Humoristen über die komischen Seiten des Lebens wird zum bitteren Grinsen, weil er in einem zweiten Schritt zur Empathie mit der lächerlichen Figur gelangt und die Tragik von deren Leiden erfasst. Pirandello verfasste fast 250 Kurzgeschichten, in denen dieser Zugang immer wieder an scheinbar realistischen Episoden, oft im sizilianischen Kontext, gestaltet wird.
Seinen Weltruhm verdankt er freilich in erster Linie dem Theater. Unter dem von der Kritik geprägten Etikett „Theater des Grotesken“ zeigt Pirandello auch hier zunächst eine „Subversion von innen“ des traditionell-realistischen Theaters seiner Zeit, am schärfsten vielleicht in So ist es – wenn es ihnen so scheint (1916): Da leben drei Menschen zusammen, von denen zwei einander für verrückt halten, weil sie über die Identität der dritten Person nicht einig sind – und dennoch lieben sie einander und kommen gut miteinander aus. Erst als die Gesellschaft interveniert und eine eindeutige Identität für die dritte Person verlangt – ist es nun die Tochter der Frau Frola und erste Gattin von Herrn Ponza oder die zweite Frau, die Frau Frola im Wahn für ihre Tochter hält? –, muss eine Entscheidung gefunden werden, aber die fragliche Person erklärt ihre Identität als „Sowohl-Als Auch“ oder, mit anderen Worten: „Ich bin die, für die man mich hält“, so dass es scheint, als habe Pirandello hier eine Grundidee der Quantentheorie vorweggenommen. 1921 erreicht er schließlich Weltruhm mit Sechs Personen suchen einen Autor, einem Drama, das das Theater aufzuheben scheint, indem Figuren, denen ein Autor sich verweigert hat, weil ihm ihre Geschichte zu abgeschmackt erscheint, in eine Probe eines realen Theaters einbrechen, um ihre Geschichte doch auf die Bühne zu bringen, wobei allerdings auch diese Geschichte an der Unterschiedlichkeit der Wahrheiten jeder der Personen zu scheitern scheint. Mit diesem Stück und seinem Heinrich IV. (1922) wurde Pirandello weltberühmt. Die mit den Sechs Personen begonnene Trilogie des Theaters auf dem Theater machte ihn zum avantgardistischen „Revolutionär des Theaters“, später betrat er mit der Trilogie der dramatischen Mythen, vor allem mit dem letzten, unvollendeten Mythos Die Riesen vom Berge Neuland, in dem sich auf poetische Weise surrealistische Traumvisionen und eine Art „prä-postdramatisches Theater“ in unerhörter Dichte begegnen, wie Aufführungen dieses Werks von Giorgio Strehler, Hans Gratzer (Wien 1985), Luca Ronconi (Salzburger Festspiele 1994) gezeigt haben.
Ursprünglich in Sizilianisch aufgeführte bzw. konzipierte Dramen (Auswahl):
Theater des „Grotesken“ (Auswahl)
Trilogie des Theaters auf dem Theater und Stücke der 1920er Jahre (Auswahl):
Trilogie der Mythen
Viele der Theaterstücke Pirandellos wurden vor allem in den 1960er-Jahren für das deutschsprachige Fernsehen verfilmt:
Die Casa Pirandello, das Geburtshaus Pirandellos in Caos, beherbergt heute ein Museum. Zu sehen sind sein Arbeitszimmer, diverse Ausgaben seiner Werke, Fotografien und die Gartenanlagen, in denen seine Asche bestattet wurde.
Sein Sohn Fausto Pirandello war ein berühmter Maler.
Personendaten | |
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NAME | Pirandello, Luigi |
KURZBESCHREIBUNG | italienischer Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 28. Juni 1867 |
GEBURTSORT | Girgenti, heute Agrigent, Sizilien |
STERBEDATUM | 10. Dezember 1936 |
STERBEORT | Rom |