Max J. Friedländer war ein Sohn des Berliner Bankiers Leopold Friedländer (1832–1896) und seiner Ehefrau Helene, geb. Noether. Wie er selbst sagte, prägte die Nähe zu den Museen schon seine Kindheit:
„Ich bin in Berlin zweihundert Meter vom Museum entfernt geboren und zweimal in der Schule sitzen geblieben, weil ich mich zu ausgiebig in der Bildergalerie aufhielt.“[1]
Er besuchte das Friedrich-Werdersche Gymnasium in Berlin und studierte ab dem Wintersemester 1887/88 Kunstgeschichte und Klassische Archäologie in München, ab dem Sommersemester 1888 in Leipzig. Das Wintersemester 1888/89 verbrachte er in Florenz, wo er sich unter August Schmarsows Leitung mit der italienischen Kunst beschäftigte, den Sommer 1890 in München, um die dortigen Museen zu studieren. Im Februar 1891 wurde er in Leipzig bei Anton Springer mit einer Dissertation über Albrecht Altdorfer promoviert.
Seit seiner Rückkehr nach Berlin 1896 war er bis 1933 an der Berliner Gemäldegalerie beschäftigt, ab 1904 als Zweiter Direktor (unter Wilhelm von Bode), ab 1924 als Erster Direktor. Von 1908 bis 1930 war er zugleich Direktor des Kupferstichkabinetts. In dieser Zeit veröffentlichte er Beiträge unter dem Pseudonym Robert Breuer.[2] Friedländer galt „als die größte Autorität auf dem Gebiet der altniederländischen und altdeutsche Malerei und Graphik. Die wesentlichen Bestände der Berliner Galerie und des Kupferstichkabinetts verdanken der Kennerschaft Friedländers ihre hohe Bedeutung innerhalb der europäischen Museen:“[3] Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde er als „Nichtarier“ entlassen.
1939 emigrierte er wegen der zunehmenden Drangsalierung als Jude in die Niederlande.[4] Nach der Besetzung der Niederlande 1940 geriet er in große Gefahr, in ein Vernichtungslager im Osten deportiert zu werden. Gleichzeitig war Friedländer bei der Besatzungsmacht ein gefragter Gutachter, da er als Kenner der altniederländischen Malerei des 15. und 16. Jahrhunderts bei den Nationalsozialisten geschätzt war. Vor allem Hermann Göring, der diese Malerei besonders liebte, bediente sich häufig seiner Fachkompetenz. Er schützte Friedländer deshalb vor der bald in den Niederlanden einsetzenden Verfolgung der Juden und bewahrte ihn damit vor Verhaftung, Deportation und anschließender Ermordung.[5]
Max J. Friedländer starb 1958 im Alter von 91 Jahren in Amsterdam. Beigesetzt wurde er im Erbbegräbnis der Familie Oppenheimer-Friedländer auf dem landeseigenen Friedhof Heerstraße im Berliner Bezirk Charlottenburg im heutigen Ortsteil Westend.[6] Auf Beschluss des Berliner Senats ist die letzte Ruhestätte von Max J. Friedländer (Grablage: Erb. 2-D) seit 2001 als Ehrengrab des Landes Berlin gewidmet. Die Widmung gilt für die übliche Frist von zwanzig Jahren, kann anschließend aber verlängert werden.[7]
Friedländers Herangehensweise an die Kunstgeschichte war im Wesentlichen die eines Kunstkenners (connoisseur). Er bevorzugt eine kritische Lektüre, die auf Sensibilität und nicht auf großen künstlerischen oder ästhetischen Theorien beruht. Seine Karriere war geprägt von einer für Berlin typischen Verachtung der Wiener Schule der Kunstgeschichte. Im Laufe seines Lebens fotografierte er überall, wohin er reiste, Kunstwerke in hoher Qualität. Sein persönliches Archiv mit etwa 15.000 Fotos und Reproduktionen von Gemälden des 15. und 16. Jahrhunderts aus den nördlichen und südlichen Niederlanden ist oft mit Notizen versehen, die u. a. die Herkunft, die Zuschreibung, den relativen Zustand und den Standort der Gemälde betreffen. Der Großteil seines Werks wurde in der Datenbank RKDimages des niederländischen Nationalen Instituts für Kunstgeschichte (RKD) transkribiert und digitalisiert und bildet ein wichtiges frei zugängliches Archiv für Kunsthistoriker.
Seit 2014 verleiht das Berliner Kupferstichkabinett in Zusammenarbeit mit dem Mäzen und Kunstsammler Christoph Müller den Max J. Friedländer-Preis.[9] 2014 ging der Preis an den Schriftsteller Simon Elson für seine Biografie Der Kunstkenner Max J. Friedländer.[10] 2016 wurde der Preis an den Schriftsteller und Kunsthändler Florian Illies verliehen,[11] 2023 an den Kunsthistoriker, Kurator und Altniederländer-Spezialisten Stephan Kemperdick.[12]
Vitale Bloch: Max J. Friedländer (1867–1967). In: The Burlington Magazine 109, 1967, S. 359–360.
Günter Busch: Friedländers Sprache. In: ders.: Hinweis zur Kunst. Aufsätze und Reden. Hauswedell, Hamburg 1977, ISBN 3-7762-0144-4, S. 224–228.
Günter Busch: Ein deutscher Kunsthistoriker: Max J. Friedländer. In: Max J. Friedländer: Von van Eyck bis Breughel. Neuausgabe. S. Fischer, Frankfurt a. M. 1986, ISBN 3-10-022905-3, S. 7–16.
Ulrike Wendland: Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil. Leben und Werk der unter dem Nationalsozialismus verfolgten und vertriebenen Wissenschaftler. Teil 1: A–K. Saur, München 1999, ISBN 3-598-11339-0, S. 163–177.
Till-Holger Borchert: From intuition to intellect. Max J. Friedländer and the verbalisation of connoisseurship. In: Jaarboek Koninklijk Museum voor Schone Kunsten Antwerpen, 2004/05, S. 9–18.
Dagmar Korbacher: Der Kenner im Museum. Max J. Friedländer (1867–1958). Ausstellungskatalog Kupferstichkabinett Staatliche Museen zu Berlin. Berlin 2008, ISBN 978-3-88609-632-9.
Simon Elson: Der Kunstkenner Max J. Friedländer. Biografische Skizzen. Mit einem Nachwort von Florian Illies. Walther König, Köln 2015, ISBN 978-3-86335-865-5 (= Kunstwissenschaftliche Bibliothek, 7).
↑Ulrike Wendland: Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil. Leben und Werk der unter dem Nationalsozialismus verfolgten und vertriebenen Wissenschaftler. München 1999, S. 162.
↑Lynn H. Nicholas: Der Raub der Europa. Das Schicksal europäischer Kunstwerke im Dritten Reich. München 1995, S. 138–139; Hanns Christian Löhr: Der Eiserne Sammler. Die Kollektion Hermann Göring – Kunst und Korruption im Dritten Reich. Berlin 2009, S. 106. 136.
↑Rezensionen: Jan Kedves: Framed! In: frieze.com. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 29. September 2016; abgerufen am 29. September 2016.Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/frieze.com Florian Felix Weyh: Biografie über Max J. Friedländer. Ein Leben für die Kunst.Deutschlandfunk, abgerufen am 29. September 2016. Sebastian Preuss. In: Die Weltkunst, 120/2016, S. 56–57. Bernhard Schulz: Der Kunstkenner mit absolutem Blick. (tagesspiegel.de [abgerufen am 6. Februar 2017]).