Messiah (HWV 56, dt. Der Messias) ist ein Oratorium von Georg Friedrich Händel auf Bibeltexte in einer englischsprachigen Zusammenstellung von Charles Jennens für vier Soli (SATB), Chor und Orchester. Händel vertonte die christliche Glaubenslehre bezüglich des Messias auf Basis der King-James-Bibel und des Book of Common Prayer. Es wurde im Sommer 1741 komponiert und am 13. April 1742 in Dublin uraufgeführt.
Das Werk gehört bis heute zu den populärsten Beispielen geistlicher Musik des christlichen Abendlandes.[1] Es umfasst in drei Teilen die christliche Heilsgeschichte, beginnend mit den alttestamentlichen Prophezeiungen von Propheten wie Jesaja, das Leben Jesu, der als Erfüllung der Prophezeiungen gesehen wird, seine Geburt, seinen Tod am Kreuz und sein erhofftes zweites Kommen. Obwohl das Leben im Neuen Testament geschildert wird, greift der Oratorientext überwiegend auf das Alte Testament zurück.
Der Titel Messiah bezieht sich auf einen ursprünglich hebräischen Hoheitstitel aus der jüdischen Bibel und bedeutet „der Gesalbte“ (hebräisch משיח Maschiach). Schon in der Septuaginta-Übersetzung der hebräischen Bibel wurde das Wort überwiegend mit Christus übersetzt.
Die Idee für den Messiah ging von Charles Jennens aus, der vorher schon das Libretto für das Oratorium Saul geschrieben und wahrscheinlich den Text für Israel in Egypt aus Bibelworten zusammengestellt hatte. Im Juli 1741 teilte er einem Freund mit, dass er Händel dazu bringen wolle, eine weitere Sammlung von Bibelstellen zu vertonen und in der Karwoche aufzuführen.
Händel wollte eigentlich in der Saison 1741/42 nichts unternehmen. In der Saison davor war sein letzter Versuch gescheitert, mit Imeneo und Deidamia seine italienischen Opern fortzuführen. Den Anlass für die Komposition eines neuen Oratoriums brachte schließlich eine Einladung zu einer Konzertreihe in Dublin.
Händel schrieb die Musik in seinem üblichen Tempo und benutzte – wie bei anderen Opern und Oratorien und wie es in der Barockzeit durchaus üblich war – teilweise frühere Stücke, darunter seine italienischen Duettkantaten. Nachdem er am 22. August 1741 begonnen hatte, stellte er den ersten Teil am 28. August, den zweiten am 6. September und den dritten am 12. September fertig. Mit der Instrumentierung war die Partitur am 14. September – also nach 24 Tagen – vollständig abgeschlossen. Gleich danach wandte er sich einem weiteren Oratorium, Samson, zu und komponierte den größten Teil, überarbeitete es aber noch einmal wesentlich im Herbst 1742.
Im November 1741 reiste Händel nach Dublin. Am 2. Oktober hatte dort Mr Neale’s Great Musick Hall in Fishamble Street eröffnet, wo er ab Dezember eine Subskriptionsreihe anbot, in der L’Allegro, il Penseroso ed il Moderato und andere oratorische Werke gespielt wurden. Noch vor der ersten Aufführung des Messiah änderte er einige Passagen und komponierte neue Nummern. Eine Verzögerung ergab sich bei den Vorbereitungen dadurch, dass Jonathan Swift – Dekan der St. Patrick’s Cathedral – seinen Chorsängern zunächst nicht die Genehmigung erteilen wollte, an dem Konzert mitzuwirken. Die Uraufführung am 13. Apriljul. / 24. April 1742greg. wurde als Benefizkonzert für mehrere karitative Organisationen angekündigt:
„For the Relief of the Prisoners in the several Gaols, and for the Support of Mercer’s Hospital in Stephen’s Street and of the Charitable Infirmary on the Inns Quay, on Monday the 12th of April [recte April 13], will be performed at the Musick Hall in Fishamble Street, Mr. Handel’s new Grand Oratorio, call’d the MESSIAH, in which the Gentlemen of the Choirs of both Cathedrals will assist, with some Concertoes on the Organ, by Mr Handell.“
Nach den Vorstellungen des Messiah verließ Händel im August Dublin und kehrte nach London zurück. Im Vergleich mit der enthusiastischen Aufnahme in Dublin war die Etablierung des Messiah im Londoner Konzertbetrieb problematischer. Schon bei Israel in Egypt hatte es Stimmen gegeben, die die Wiedergabe von Bibelworten in einem profanen Theater kritisierten; im Falle des Messiah kam hinzu, dass Zitate aus den Evangelien für eine Abendunterhaltung verwendet wurden. Noch Jahre später wurde das Werk als blasphemisch verurteilt.
Vielleicht wegen dieser Vorbehalte wurde das Oratorium für die erste Londoner Aufführung am 19. März 1743 im Covent Garden Theatre als A New Sacred Oratorio angekündigt, ohne den Titel Messiah zu nennen. Dies wurde auch 1745 und 1749 beibehalten. Erst 1750 begann eine jährliche Aufführungstradition, indem Händel nun seine Oratoriensaisons in der Fastenzeit mit einer Aufführung des Messiah abschloss und nach Ostern eine weitere Vorstellung in der Kapelle des Foundling Hospital gab, deren Erlös den Findelkindern und Waisen zugutekam.
Händel selbst dirigierte Messiah viele Male, modifizierte ihn oft, um ihn dem aktuellen Bedarf anzupassen. Folglich kann keine Version als „authentisch“ angesehen werden, und viele weitere Änderungen und Arrangements wurden in den folgenden Jahrhunderten hinzugefügt – zum Beispiel Der Messias von Wolfgang Amadeus Mozart im Jahr 1789 im Auftrag von Gottfried van Swieten (deutsche Textfassung von Christoph Daniel Ebeling).
Händel setzte Messiah stets in der Fasten- oder Osterzeit auf den Spielplan, entsprechend dem Inhalt, der im zweiten Teil die Passion und die Auferstehung, im dritten Teil seine Wiederkunft und Verherrlichung behandelt. Schon zu Händels Lebzeiten wurde es in Dublin üblich, das Werk in der Adventszeit im Konzertsaal aufzuführen. Diese Tradition breitete sich bald besonders in den englischsprachigen Ländern aus.
In der Folge wurde das Oratorium manches Mal in seine Teile zerlegt: Weihnachtskonzerte bestehen oft nur aus dem ersten Teil und dem Halleluja, zur Osterzeit werden als Kirchenmusik jene Teile gespielt, welche die Auferstehung betreffen. Die Sopran-Arie I know that my Redeemer liveth wird häufig bei christlichen Beerdigungen gesungen.
Das Halleluja, das den zweiten der drei Teile beschließt, gehört zu den meist aufgeführten Stücken der Musikliteratur überhaupt. An vielen Orten der Welt ist es Brauch, dass das Publikum für diesen Teil der Aufführung aufsteht – die Legende sagt, dass beim ersten Hören des Chors König Georg II. so ergriffen war, dass er aufsprang, was alle anderen dazu veranlasste, seinem Beispiel zu folgen.[2]
Jedes Jahr am 13. April, dem Jahrestag der Uraufführung, werden Teile des Messias in unmittelbarer Nähe der ehemaligen Great Music Hall auf der Fishamble Street in Dublin unter freiem Himmel aufgeführt.[3][4][5]
Der Messiah ist das am wenigsten typische Händel-Oratorium, da keine Geschichte erzählt wird, an Stelle davon steht eine Reihe von Kontemplationen über die christliche Erlösungsidee.[6] Die Ausnahme findet in der einmaligen Verwendung der Bezeichnung „A sacred Oratorio“ Ausdruck.[7]
Das Libretto basiert auf der Idee des Autors Charles Jennens und war bereits vollständig, als Jennens es Händel anbot.[8] Die Textfolge besteht unmittelbar aus Bibelworten und liefert eine „Gesamtsicht der Person des Messias im Licht alttestamentlicher Prophetie (vor allem aus Jesaja) und neutestamentlicher Reflexion (besonders bei Paulus)“.[9] Dabei verfolgte Jennens „deutlich theologisch missionarische Absicht“: Die Gegenüberstellung von alt- und neutestamentlichen Bibelstellen soll beweisen, dass Jesus der von den Juden erwartete Messias war. Teil 1 schildert Verkündigung und Geburt, Teil 2 Leben, Leiden, Auferstehung und Himmelfahrt und Teil 3 Jüngstes Gericht und Lobpreis des Lamms Gottes.[10] Die Textzusammenstellung orientiert sich an den entsprechenden Lesungen im Book of Common Prayer of the Church of England, sodass man als Ziel die „Vermittlung des der Kirche anvertrauten Wortes an eine außerkirchliche Gesellschaft“ annehmen kann.[11] Da lediglich die Weihnachtsgeschichte narrativen Charakter hat, obliegt der Kraft der Musik, die erzählerische Kraft aufrechtzuerhalten.[12]
Im Messiah setzt Händel vier Solostimmen (Sopran, Alt, Tenor, Bass) ein und einen Chor, der bis auf eine fünfstimmige Ausnahme durchgehend vierstimmig ist. Es ist aber dokumentiert, dass er die Solopartien fast immer auf fünf Sänger verteilte und dabei zumeist die Sopran-Arien aufteilte. Bei den Aufführungen in Dublin wurden sogar acht Sänger eingesetzt, darunter Christina Maria Avoglio (Sopran) und Susanna Maria Cibber (Alt), die auch später in London zu Händels Ensemble gehörten. Die Solo-Sopran- und -Altpartien wurden überwiegend mit Frauen besetzt. Die Besetzungslisten von 13 Wiederaufführungen bis 1759 weisen im Sopran neben den Frauen nur drei Fälle auf, bei denen als Solisten auch Knaben eingesetzt wurden. Die Alt-Partie wurde in drei Fällen von Kastraten, nie von Knaben, ansonsten von Frauen gesungen. Lediglich für die Uraufführung sind neben der Altistin auch zwei Countertenöre als Solisten dokumentiert.
Die Orchesterbesetzung in Händels Autograph lautet Violine I/II, Viola, Violoncello, Basso continuo, Trompete I/II, Pauke. Weitere Bläserstimmen kommen nicht vor, womöglich weil Händel zum Zeitpunkt der Komposition nicht wusste, welche Instrumente ihm in Dublin zur Verfügung stehen würden. Sicher ist aber, dass zumindest bei den späten Londoner Aufführungen Oboen, Fagotte und Hörner beteiligt waren. Aus einer Abrechnung von 1754 geht hervor, dass für diese Aufführung für das Foundling Hospital 14 Violinen, 6 Violen, 3 Celli, 2 Bässe, 4 Oboen, 4 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten und 2 Pauken eingesetzt wurden. Der Chor bestand aus rund 20 Sängern, wobei der Sopran mit Knaben aus der Chapel Royal und der Alt mit Countertenören besetzt war. Außerdem sangen die Solisten die Chorpartien mit. Bei der Dubliner Uraufführung war der Chor etwas größer und bestand aus 16 Knaben (Sopran) und 16 Männern für die übrigen drei Stimmen.
Es ist zu bemerken, dass bis heute verschiedene Fassungen des Oratoriums aufgeführt werden, die auf wiederholte Umarbeitungen Händels zurückgehen. Die Satznummern werden im Folgenden gemäß der Hallischen Händel-Ausgabe wiedergegeben.
Nr. | Titel | Deutsche Textfassung von Christoph Daniel Ebeling | Form / Besetzung | Textgrundlage | Audio |
Teil I | [Verheißung und Geburt des Heilands] | ||||
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1. | Sinfonia | Sinfonia | (Orchestervorspiel in Form einer Französischen Ouvertüre) | ||
2. | Comfort ye my people | Tröstet Zion! | Accompagnato (Tenor) | Jes 40,1–3 KJV | |
3. | Ev’ry valley shall be exalted | Alle Tale macht hoch und erhaben | Arie (Tenor) | Jes 40,4 KJV | |
4. | And the glory, the glory of the Lord | Denn die Herrlichkeit Gottes des Herrn | Chor | Jes 40,5 KJV | |
5. | Thus saith the Lord | So spricht der Herr | Accompagnato (Bass) | Hag 2,6–7 KJV; Mal 3,1 KJV | |
6. | But who may abide | Doch wer mag ertragen den Tag seiner Ankunft | Arie (Alt) | Mal 3,2 KJV | |
7. | And He shall purify | Und er wird reinigen die Kinder Levi | Chor | Mal 3,3 KJV | |
Behold, a virgin shall conceive | Denn sieh! Eine Jungfrau wird schwanger | Rezitativ (Alt) | Jes 7,14 KJV; Mt 1,23 KJV | ||
8. | O thou that tellest | O du, die Wonne verkündet in Zion | Arie (Alt) und Chor | Jes 40,9 KJV; 60,1 KJV | |
9. | For behold, darkness shall cover the earth | Blick auf! Nacht bedeckt das Erdreich | Accompagnato (Bass) | Jes 60,2–3 KJV | |
10. | The people that walked in darkness | Das Volk, das im Dunkeln wandelt | Arie (Bass) | Jes 9,2 KJV | |
11. | For unto us a Child is born | Uns ist zum Heil ein Kind geboren | Chor | Jes 9,6 KJV | |
12. | Pifa | Hirtenmusik | (Pastoralsinfonie) | ||
There were shepherds | Es waren Hirten beisammen auf dem Felde | Rezitativ (Sopran) | Lk 2,8 KJV | ||
13. | And lo, the angel of the Lord | Und sieh! Der Engel des Herrn trat zu ihnen | Accompagnato (Sopran) | Lk 2,9 KJV | |
And the angel said unto them | Und der Engel sprach zu ihnen | Rezitativ (Sopran) | Lk 2,10–11 KJV | ||
14. | And suddenly there was with the angel | Und alsobald war da bei dem Engel | Accompagnato (Sopran) | Lk 2,13 KJV | |
15. | Glory to God in the highest | Ehre sei dir Gott in der Höhe | Chor | Lk 2,14 KJV | |
16. | Rejoice greatly, O daughter of Zion | Erwach’ zu Liedern der Wonne | Arie (Sopran) | Sach 9,9–10 KJV | |
Then shall the eyes of the blind | Dann tut das Auge des Blinden sich auf | Rezitativ (Alt) | Jes 35,5–6 KJV | ||
17. | He shall feed His flock | Er weidet seine Herde | Duett (Alt, Sopran) | Jes 40,11 KJV, Mt 11,28–29 KJV | |
18. | His yoke is easy | Sein Joch ist sanft | Chor | Mt 11,30 KJV | |
Teil II | [Passion und Auferstehung Jesu] | ||||
19. | Behold the Lamb of God | Kommt her und seht das Lamm! | Chor | Joh 1,29 KJV | |
20. | He was despised | Er ward verschmähet | Arie (Alt) | Jes 53,3 KJV; 50,6 KJV | |
21. | Surely, He hath borne our griefs | Wahrlich, wahrlich | Chor | Jes 53,4–5 KJV | |
22. | And with His stripes we are healed | Durch seine Wunden sind wir geheilet | Chor | Jes 53,5 KJV | |
23. | All we like sheep | Wie Schafe geh’n | Chor | Jes 53,6 KJV | |
24. | All they that see Him | Und alle, die ihn seh’n | Accompagnato (Tenor) | Ps 22,7 KJV | |
25. | He trusted in God | Er trauete Gott | Chor | Ps 22,8 KJV | |
26. | Thy rebuke hath broken His heart | Die Schmach bricht ihm sein Herz | Accompagnato (Tenor) | Ps 69,20 KJV | |
27. | Behold, and see if there be any sorrow | Schau hin und sieh! | Arioso (Tenor) | Klgl 1,12 KJV | |
28. | He was cut off out of the land | Er ist dahin aus dem Lande der Lebenden | Accompagnato (Tenor) | Jes 53,8 KJV | |
29. | But Thou didst not leave | Doch du ließest ihn im Grabe nicht | Arie (Tenor) | Ps 16,10 KJV | |
30. | Lift up your heads | Machet das Tor weit | Chor | Ps 24,7–10 KJV | |
Unto which of the angels | Zu welchen von den Engeln hat er je gesagt | Rezitativ (Tenor) | Heb 1,5 KJV | ||
31. | Let all the angels of God worship Him | Lasst alle Engel des Herrn preisen ihn | Chor | Heb 1,6 KJV | |
32. | Thou art gone up on high | Du fuhrest in die Höh | Arie (Alt) | Ps 68,18 KJV | |
33. | The Lord gave the word | Der Herr gab das Wort | Chor | Ps 68,11 KJV | |
34. | How beautiful are the feet | Wie lieblich ist der Boten Schritt | Duett (Alt I, II) und Chor | Jes 52,7 KJV; Röm 10,15 KJV | |
34a. | How beautiful are the feet | Wie lieblich ist der Boten Schritt | Arie (Sopran) | ||
35. | Their sound is gone out | Ihr Schall ging aus | Arioso (Tenor) | Röm 10,18 KJV; Ps 19,4 KJV | |
35a. | Their sound is gone out | Ihr Schall ging aus | Chor | ||
36. | Why do the nations so furiously rage together? | Warum entbrennen die Heiden | Arie (Bass) | Ps 2,1–2 KJV | |
37. | Let us break their bonds asunder | Brecht entzwei die Ketten alle | Chor | Ps 2,3 KJV | |
He that dwelleth in heaven | Der da wohnet im Himmel | Rezitativ (Tenor) | Ps 2,4 KJV | ||
38. | Thou shalt break them | Du zerschlägst sie mit dem Eisenszepter | Arie (Tenor) | Ps 2,9 KJV | |
39. | Hallelujah! | Halleluja! | Chor | Offb 19,6.16 KJV, 11,15 KJV | |
Teil III | [Erlösung] | ||||
40. | I know that my Redeemer liveth | Ich weiß, dass mein Erlöser lebet | Arie (Sopran) | Ijob 19,25–26 KJV, 1 Kor 15,20 KJV | |
41. | Since by man came death | Wie durch einen der Tod | Chor | 1 Kor 15,21–22 KJV | |
42. | Behold, I tell you a mystery | Merkt auf! | Accompagnato (Bass) | 1 Kor 15,51–52 KJV | |
43. | The trumpet shall sound | Sie schallt, die Posaun | Arie (Bass) | 1 Kor 15,52–53 KJV | |
Then shall be brought to pass | Dann wird erfüllt | Rezitativ (Alt) | 1 Kor 15,54 KJV | ||
44. | O death, where is thy sting? | O Tod, wo ist dein Pfeil | Duett (Alt, Tenor) | 1 Kor 15,55–56 KJV | |
45. | But thanks be to God | Doch Dank sei Dir Gott | Chor | 1 Kor 15,57 KJV | |
46. | If God be for us | Wenn Gott ist für uns | Arie (Sopran) | Röm 8,31 KJV; 8,33–34 KJV | |
47. | Worthy is the Lamb / Amen | Würdig ist das Lamm / Amen | Chor | Offb 5,12–14 KJV | |
Anhang | [alternative Fassungen] | ||||
6a. | But who may abide | Doch wer mag ertragen den Tag seiner Ankunft | Arie (Bass) | ||
But who may abide | Doch wer mag ertragen den Tag seiner Ankunft | Rezitativ (Alt) | |||
13a. | But lo, the angel of the Lord | Und sieh! Der Engel des Herrn trat zu ihnen | Arioso (Sopran) | ||
16a. | Rejoice greatly, O daughter of Zion | Erwach’ zu Liedern der Wonne | Arie (Sopran) | ||
Then shall the eyes of the blind | Dann tut das Auge des Blinden sich auf | Rezitativ (Sopran) | |||
17a. | He shall feed His flock | Er weidet seine Herde | Arie (Sopran) | Jes 40,11 KJV, Mt 11,28–29 KJV | |
32a. | Thou art gone up on high | Du fuhrest in die Höh | Arie (Bass) | Ps 68,18 KJV | |
32b. | Thou art gone up on high | Du fuhrest in die Höh | Arie (Sopran) | ||
34b. | How beautiful are the feet | Wie lieblich ist der Boten Schritt | Arie (Alt) | ||
Thou shalt break them | Du zerschlägst sie mit dem Eisenszepter | Rezitativ (Tenor) |
Händel setzt schlichte Mittel mit größter Eindringlichkeit ein.[13] Die einfachste Form des accompagnato-Rezitativs mit ausgehaltenen Streicherakkorden wird in der Entfaltung ihrer Wirkung nicht geschmälert, indem ihre Verwendung auf die Passion und die Passage „Behold, I tell you a mystery“ in Teil 3 beschränkt ist. Prophetische Momente werden durch emphatische rhythmische Figuren dargestellt.[14] Arien, die der Reflexion dienen, wechseln mit Chorkommentaren ab. Die solistischen Partien wirken opernhaft, es gibt Rachearien und Herrschaftssymbole, Pastoralszenen und Leidenstopoi,[15] der kontemplativen Grundstimmung des biblischen Textes kommt wiederum die Verbindung von Arie und Chor zugute.[16] Jeder Teil des Oratoriums enthält zudem ein Duett.[17]
Die einleitende Symphony folgt dem Muster der französischen Ouvertüre und bietet mit zerklüfteter Melodik und schneidenden Dissonanzen das Bild einer Welt in gestörtem Zustand.[18] Unmittelbar an den düsteren Moll-Schluss fügt sich in Dur der Beginn des ersten Gesangsstücks, des Accompagnato „Comfort ye (Tröste Dich)“ als Auftritt des Propheten,[19] dessen Rede mit der Gegenüberstellung von Berg und Tal in der folgenden Arie in derselben Tonart in einfacher aber effektiver Wortmalerei[20] durch den Gegensatz von virtuosen Koloraturen und Haltetönen umgesetzt ist. Daran schließt ein schwungvoller Chor mit vier Themen an, deren letztes aus längeren wiederholten Tönen die Assoziation an ein Blechblasinstrument weckt, wodurch die gewichtigen Worte „for the mouth of the Lord hath spoken it (denn es ist Gott, der es verheißen hat)“ hervorgehoben werden.[21]
Auch im zweiten Abschnitt bilden Accompagnato, Arie und Chor eine Einheit. Die Ankündigung, den Himmel zu bewegen, erfolgt zuerst in einer Koloratur, auf die die Streicher mit repetierten 16tel-Noten reagieren. Die Erschütterung von Erde und Himmel wird in der Arie durch Prestissimo-Abschnitte versinnbildlicht, worauf im Chor aufwärts und abwärtsgerichtete Figuren als Darstellung von Opfer und Reinigung gedeutet werden können.[22]
Im dritten Abschnitt mit der Prophezeiung der Geburt des Messias werden Arie in variierter Strophenform und anschließender Chor verschmolzen, indem am Ende des Chors das Ritornell der Arie wieder aufgegriffen wird. Mit dem Jubel des Freudenchors kontrastiert der Beginn des folgenden Abschnitts mit Chromatik, verminderten Dreiklängen und raschen harmonischen Ausweichungen. Die Arie repräsentiert mit fahlem Klang durch Unisono-Führungen die Dunkelheit, in der das Volk wandert. Es folgt ein munterer Chor „For unto us a Child is born (Uns ist zum Heil ein Kind geboren)“ in lockerer Polyphonie, in dem in Blöcken prächtiger Homophonie der Herrschername vorgestellt wird.[23]
Nach dem ungestümen Chor wird die notwendige Beruhigung der Szene herbeigeführt durch eine Pifa,[24] abzuleiten von „Piva“, was sowohl einen Volkstanz wie ein Instrument bezeichnet,[25] Hirtenmusik mit Siciliano-Rhythmus und Dudelsackbass wie in Arcangelo Corellis Pastorale aus dem Concerto grosso op. VI, Nr. 8.[26] Nachdem so das weihnachtliche „Kolorit der nächtlichen Weide“ ausgebreitet wurde, folgt eine durchgängige Erzählung von Engelserscheinung und Auftritt der himmlischen Heerscharen, wobei „in der Höhe – auf Erden“ plakativ durch die Stimmlage umgesetzt wird. Händel sah für den Chor durch Aufführungsanweisungen eine ätherische Wirkung vor, die Erscheinung verklingt kaum hörbar.[27]
Das irdische Leben Jesu wird durch messianische Prophezeiungen umschrieben, da ein Auftreten des Messias im Theater nicht akzeptabel gewesen wäre. Im Kontrast zu den anderen Abschnitten verzichtet Händel hier auf ein Accompagnato und verbindet zwei Arien durch ein kurzes Secco-Rezitativ.[28] Die erste Arie verdeutlicht Frohlocken und Jauchzen durch den „hüpfenden Rhythmus der Gigue“, die zweite bringt wieder pastorale Grundstimmung für „He shall feed His flock (Er weidet seine Herde)“ durch Siciliano-Rhythmus,[29] parallele Terzen und gehaltene Bässe.[20] Ein Chor in freudigem, tänzerischem Affekt beschließt den ersten Teil des Oratoriums.[30]
Für den ersten Abschnitt von Teil II wies Händel dem Chor eine beträchtliche Rolle zu, die mit einer langen Da-capo-Arie kontrastiert wird, beides untypisch für den Messiah. Der Vorhang hebt sich musikalisch mit Elementen, die an die französische Ouvertüre gemahnen. Über diesen und den folgenden Abschnitt hinweg wirkt gerader Takt als stabilisierender Faktor für eine Vielfalt an Mitteln. In unterschiedlichen Tempi und Dauern führen die Sätze durch verschiedene Molltonarten von der Passion zur Auferstehung.[31]
Nach dem Eröffnungschor macht die Arie durch Kleingliedrigkeit und Pausen den Eindruck stockenden Sprechens.[32] Trotz des nicht-dramatischen Charakters des Messiah wird die Schmach hier in einer emotional intensiven Arie in der strengen Da-capo-Form der Opera seria zum Ausdruck gebracht.[33] Im Kontrast zu dieser empfindsamen Präsentation des „Schmerzensmanns“ steht die Illustration der Geißelung mit durchgehenden Sechzehntelpunktierungen der Streicher,[34] die im folgenden Chor wiederaufgenommen werden.[32] Gemeinsam mit den beiden nächsten Nummern bildet jener eine „chorische Passions-Trilogie“.[35] Der homophone Chor mündet in eine streng gestaltete Chorfuge mit Kontrasubjekt und mehreren Durchführungen. Abermals verklammert setzt der dritte Chor ein, der munter das Durcheinanderlaufen einer Schafherde lautmalerisch wiedergibt, bevor er sich jäh wieder nach Moll wendet und im Adagio beschlossen wird.[36]
Nach einem Accompagnato folgt die Verspottung, die einem Turba-Chor einer deutschen Passion ähnelt, jedoch eine deutlich umfangreichere streng gebaute Fuge darstellt und somit eine „dramatische Verdichtung“ vermeidet. Es folgen vier kurze solistische Sätze als harmonisch zusammenhängende Einheit.[37] Das erste Accompagnato ist „einer der ausdrucksstärksten Sätze des Oratoriums“ und kombiniert musikalisch-rhetorische Figuren wie den Tritonus-Sprung und den unvollkommenen chromatischen Quartgang im Bass mit einer Modulation, in der „alle Dur-Tonarten der chromatischen Skala [...] berührt werden“.[16] Das schwebend entrückte Arioso, in dem die Instrumente oft auf der ersten Achtel pausieren, ist mit der abschließenden Arie, welche die Gewissheit der Auferstehung zum Thema hat, auch thematisch verbunden.[38]
Der folgende Abschnitt thematisiert mit zwei durch ein Rezitativ getrennten Chören die himmlischen Heerscharen und deren Anbetung Gottes. Der erste Chor ist im Gegensatz zu den übrigen nicht vierstimmig, sondern fünfstimmig gesetzt und arbeitet mit klanglich differenzierten Teilchören. Der zweite ist eine kunstvolle Fuge, in der das Thema mit der eigenen Augmentation, also rhythmischen Vergrößerung, überlagert wird. Die Einsatzstufen und harmonischen Relationen zwischen Thema und Augmentation werden variiert.[39]
Die Auferstehung liegt in mehreren Fassungen vor. Ein wuchtiger vielstimmiger Chor nimmt Tonart und Dreiertakt der vorangestellten Arie auf.[40] Die anschließende Verbindung von Duett und Chor steht dem englischen Verse Anthem nahe, es liegt ein gemeinsamer Bibeltext zu Grunde.[29] Die Teile stehen jedoch im Gegensatz zueinander, Jubel verdrängt „zart wiegende[n] Charakter“.[40]
Der „furiose Gestus“ der nächsten Nummer folgt der dramatischen Konzeption der Wut- oder Rachearie.[29] Virtuose Koloraturen treffen auf Repetitionen von 16tel-Noten der Violinen. Der Zorn der Heiden erfasst dann auch den Chor, der „in permanentem Staccato“ ein sprunghaftes Thema intoniert und „wütend durcheinander“ ruft.[41]
In einem kurzen Rezitativ wird der Widerstand der Könige der Erde verlacht, dann in einer Arie zunichtegemacht. Das Ritornell entnahm Händel der Oper Il Numitore von Giovanni Porta[42] und verwendete es als „Zerschmetterungs-Motiv“.[43]
Der zweite Teil wird von dem Halleluja-Chor beschlossen, „Inbegriff großartig-festlicher Barockmusik“.[44] Die Klarheit der Anlage liegt darin begründet, dass jede Verszeile mit einem eigenen Motiv motettenartig durchgeführt wird.[45] Der „Sternenhagel“ der Halleluja-Rufe umstrahlt die cantus-firmus-artig eingesetzte Melodie „for the Lord God omnipotent reigneth“. Choralartig wirkt das absteigende „The Kingdom of this world“.[46] Große Sprünge charakterisiert das Thema „and He shall reign for ever“, das die Steigerung auf den Worten „King of Kings“ einleitet, die fanfarenartig gegen rasche Bewegungen gesetzt und dann aufsteigend sequenziert werden.[47]
In der eröffnenden Sopranarie „I know that my redeemer liveth (Ich weiß, dass mein Erlöser lebet)“ verdeutlicht bereits das in der Folge wiederholte und kunstvoll verarbeitete Anfangsmotiv die Gewissheit der Heilszusage.[48] Da es sowohl in der Vokal- wie in der Violin-Stimme aufzufinden ist und dort Ritornellfunktion innehat, erhält es durchgehend eine Gegenwärtigkeit, die an das Leitmotiv des 19. Jahrhunderts denken lässt.[29] Die Form erinnert an die modulierende Strophenarie aber durch einen kontrastierenden zweiten Teil auch an die Da-capo-Arie ohne die Modelle zu befolgen, Geschlossenheit wird am Ende durch Wiederaufnahme des Ritornells hergestellt.[49] Der folgende Chor kontrastiert „Since by man came death (Wie durch Einen der Tod)“ und „by man came also resurrection (so kam durch Einen die Auferstehung)“ durch die Gegenüberstellung von langsamem a cappella und raschem „stile moderno“ mit Instrumenten.[45]
Als zweite Da-capo-Arie des gesamten Oratoriums verkörpert nach einem Accompagnato die Trompetenarie „The trumpet shall sound“ das „musikalische Signal zur Auferstehung der Toten“.[17] In der dramatischen Konzeption hatte die Verwendung der Trompete die Funktion triumphalen Ausdrucks,[29] auch die inhaltliche Konstellation von Aussage in Teil A und Begründung in Teil B entspricht Konventionen der Oper.[50]
Nach einem kurzen Rezitativ bringt ein Duett-Chor-Satzpaar freudigen Ausdruck über einem in gleichmäßigen Achteln laufenden „Ruggiero-Bass“, der seit dem frühen 17. Jahrhundert häufig für diesen Affektbereich genutzt wurde. Als Kontrast dient eine „zarte“ Arie, die gemeinsam mit dem Schlusschor „the Sublime, the Grand, and the Tender“ idealtypisch präsentiert. In lockerer Polyphonie bringt der Chor zunächst das Großartige zum Ausdruck, bevor eine kunstvolle Amen-Fuge erhaben schließt:[51] Das Thema wird in Originalgestalt, Umkehrung, Vergrößerung und Engführung frei verarbeitet und mit den vokalen und instrumentalen Kräften unter Verwendung der Trompeten machtvoll gesteigert.[45]
Eine Gesamtaufführung dauert – je nach zugrundeliegender Version des Notentextes und Interpretationsauffassung des Dirigenten (vgl. Historische Aufführungspraxis) – grob zwischen zwei und zweieinhalb, in älteren Schallplatteneinspielungen auch bis zu drei Stunden. Häufig werden auch die letzten Arien und Duette (außer dem Schlusschor) weggelassen.