Mucine (lateinisch mucus ‚Schleim‘) deutsch auch Muzin[1], sind der strukturgebende Bestandteil des Schleims von Organismen. Diese protektiven Substanzen können von sehr vielen Mikroorganismen (namensgebend für Schleimpilze), Pflanzen und Tieren gebildet werden. Sie können äußerlich (z. B. bei Prokaryoten, Einzellern, Weichtieren) oder zum auskleidenden Schutz von inneren Organen auf den Schleimhäuten (Mucosa) dienen. Mucine sind Glykoproteine, also Makromoleküle aus einer zentralen Proteinkette und (langen) Seitenketten aus Zuckerverbindungen (Polysacchariden). Die Polysaccharide verleihen den Mucinen eine hohe Wasserbindungskapazität und schützen das zentrale Protein vor enzymatischem Abbau (Proteolyse) oder Einwirkung von Säuren (im Verdauungssystem). Mucine spielen eine Rolle für die Barrierefunktion durch die Schleimhäute und die Adhäsion.
Die Mucine werden funktional in zwei Gruppen eingeteilt: in membrangebundene und in abgesonderte Mucine.
Unabhängig davon werden sie beim Menschen mit dem Kürzel „MUC“, gefolgt von einer Zahl benannt beziehungsweise durchnummeriert (MUC1, MUC2, MUC3A usw.). Im Jahr 2002 waren sechzehn Mucin-Gene im Menschen bekannt: MUC1, MUC2, MUC3A, MUC3B, MUC4, MUC5AC, MUC5B, MUC6–9, MUC11–13, MUC16 und MUC17.[2] Diese Benennung wurde jedoch kritisiert,[3] da sie die Existenz einer Familie von Genen suggeriert, während zwischen den Genen der verschiedenen Mucine die entsprechende Sequenzhomologie oft fehlt.
Bei MUC1, MUC3A (Isoform 1), MUC3B und MUC4 handelt es sich um Transmembranproteine, die mit ihrer extrazellulären Domäne zur Glykokalyx beitragen, MUC2, MUC5AC, MUC5B, MUC6 und MUC7 werden von den Schleimhäuten abgesondert („sekretorische Mucine“) und MUC8 lässt sich nicht eindeutig in eine dieser Kategorien einordnen.[4]
Mucine bestehen aus einem zentralen Protein, welches in hohem Maße glykosyliert, das heißt mit kovalent gebundenen Polysacchariden versehen ist. Die Polysaccharide haben typischerweise einen Anteil von 60 bis 80 Massenprozent am Mucin. Sie haben eine sehr hohe molekulare Masse um 120×106 Dalton und tragen oft durch Sialyl- oder Sulfatgruppen eine hohe negative Ladung. Dieser anionische Charakter sowie die Hydroxygruppen innerhalb der Polysaccharide ermöglichen es den Mucinen, viel Wasser an sich zu binden, und führen so zu der gel- bzw. schleimartigen Konsistenz der Mucine. Das zentrale Protein ist reich an den Aminosäuren Serin, Threonin und Prolin. Es enthält bei allen bisher bekannten Mucinen mehrere tandem-repeat-Domänen, welche auch die Bereiche des Proteins sind, an denen die Polysaccharide durch O-Glykosylierung an das Protein gebunden sind. Diese tandem-repeat-Domänen unterscheiden die „echten“ Mucine von mucinähnlichen Glykoproteinen wie GlyCAM1 oder MadCAM1, die bei der Adhäsion eine Rolle spielen.[5]
Die Polysaccharidkette beginnt normalerweise mit einem N-Acetylgalactosamin, welches über die Alkoholfunktion von Serin oder Threonin, das heißt über ein Sauerstoffatom mit dem Proteinrückgrat kovalent verbunden ist, und besteht aus etwa 5–10 Einfachzuckern pro Kette. Dies unterscheidet die Mucine von den meisten anderen Glykoproteinen, in denen N-Acetylglucosamin über eine Amidgruppe mit Asparagin verbunden ist. Der erste und wahrscheinlich ebenfalls der zweite Zucker des Oligosaccharids wird durch die Struktur des darunterliegenden Proteins bestimmt. Die weiteren Zucker sind jedoch davon unabhängig und werden vermutlich nur durch die Konzentrationen der entsprechenden Glykosyltransferasen bestimmt.
Es ist wahrscheinlich, dass die einzelnen Mucine über Disulfidbindungen miteinander verknüpft sind, wodurch sich das Auftreten linearer Mucinketten mit etwa der zwanzigfachen Masse eines einzelnen Mucins erklären lässt.[7]
Die Enden der Polysaccharide sind teilweise mit Sulfatgruppen oder O-acetylierten Sialinsäuregruppen versehen, um einen Abbau der Mucine durch Bakterien zu erschweren.[8]
Im tierischen (und menschlichen) Körper werden Mucine von den Schleimhäuten (z. B. Augen, Bronchien, Mund, Nase, Magen, Darm) zum Schutz gegen chemische und mechanische Einwirkungen von mukösen Drüsen sezerniert (ausgeschieden). Sie werden beispielsweise im Magen von Nebenzellen gebildet. Diese sezernieren mit Bikarbonat beladene Mucine (Bikarbonatbatterien, die zu dem Bikarbonatsystem des Magen-Darm-Trakts gehören,[9]) welche Salzsäure neutralisieren. Diese Magenschleimhautbarriere schützt den Magen vor der Säure.[10] Weitere Vorkommen in: Knorpel, Sehnen, Haut, Serum, Glaskörper und als Nubecula im Harn.
MUC1, MUC2, MUC3, and MUC4 sind dabei die hauptsächlich im Colon vorkommenden Mucine.[11] Den größten Anteil der abgesonderten Mucine hat MUC2.[12] Im Dünndarm ist MUC3 das hauptsächlich ausgeschiedene Mucin.[13]
In der Medizin werden Mucine als Bestandteil von künstlichem Speichel therapeutisch eingesetzt.
Eine erhöhte Produktion von Mucinen wird bei vielen Adenokarzinomen[14] wie beispielsweise Darmkrebs, Magenkrebs, Bauchspeicheldrüsenkrebs, Lungenkrebs, Prostatakrebs[15] oder auch Brustkrebs beobachtet. Auch bei Lungenkrankheiten wie Asthma, Bronchitis oder chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) sind Mucine überexprimiert. Insbesondere die beiden Mucine MUC1 und MUC4 wurden und werden deshalb intensiv auf ihre pathologische Funktion hin untersucht. Diese Mucine sind für die Diagnostik potenzielle Tumormarker sowie auch Ansatzpunkte für neue Therapieformen.[16]
Schleime oder Mucine wurden erstmals von Clamer Herman Hoffbauer (1734) beschrieben.[17]
Bis in die 1970er Jahre wurde der Begriff Mucin für den hauptsächlichen Glykoprotein-Bestandteil in abgesondertem Schleim verwendet, der jedoch kaum charakterisiert war. Zu diesem Zeitpunkt war der hohe Bestandteil an hauptsächlich negativ geladenen Kohlenhydraten (über 50 Massenprozent) und der hohe Gehalt an den Aminosäuren Threonin und Serin in dem Protein der Mucine bekannt. In den 1980er Jahren zeigte sich jedoch durch den Einsatz fortgeschrittener spektroskopischer Methoden (neuere Formen der Massenspektrometrie und Kernspinresonanzspektroskopie), dass Mucine eine wesentlich komplexere Glykosylierung aufweisen, als zuvor angenommen. Etwa zeitgleich wurden Epitope auf Mucinen gefunden, welche mit Tumoren in Zusammenhang gebracht wurden. Im Jahr 1990 wurden die DNA-Sequenzen der ersten vier Gene für Mucine entschlüsselt.[5]