Zwölfprophetenbuch des Tanach |
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Nahum (hebräisch נַחוּם naḥūm) heißen ein biblischer Prophet und sein Buch. Es gehört zum Zwölfprophetenbuch des Tanach bzw. des Alten Testaments. Vom Autor ist nur der unbekannte Herkunftsort Elkosch (Nah 1,1) bekannt.
Für gewöhnlich wird das Buch im deutschen Sprachraum mit Nah abgekürzt. Lediglich das Computerprogramm Online-Bibel verwendet das Kürzel NAM.[1]
Beim Namen נַחוּם naḥūm handelt es sich um einen Ersatznamen. Entweder leitet er sich als Adjektiv von der Wurzel נחם nḥm ab und bedeutet „trostreich“, oder er stellt eine Kurzform des Namens נְחֶמְיָה nəḥæmjâ, im Deutschen Nehemia, dar.[2] Dieser Name wiederum setzt sich aus dem Verb נחם nḥm und dem Gottesnamen יהוה jhwh zusammen und bedeutet: „der Herr hat getröstet“.[3] Darüber hinaus kann es sich auch um eine qaṭṭûl-Bildung von der Wurzel נחם nḥm handeln: „Tröster“.[4]
Da im Alten Testament abgesehen von Nah 1,1 EU kein Hinweis auf eine Person namens Nahum existiert, ist davon auszugehen, dass es sich dabei nicht um den Namen einer historischen Prophetengestalt handelt. Vermutlich wird mit נַחוּם naḥūm auf den Inhalt des Buches angespielt, denn das Unheil für Assyrien bedeutet Heil für Israel.
Die Septuaginta gibt den Namen als Ναουμ Naum wieder. Weitere altgriechische Transkriptionen sind Ναουμα Nauma und Ναουμος Naumos. Die Vulgata schreibt Naum.
Nahum erwähnt in Nah 3,8–10 EU die Eroberung von No-Amon, die wohl mit der Eroberung Thebens im Jahr 663 v. Chr. gleichzusetzen ist, als Ereignis der Vergangenheit, und die Zerstörung von Ninive (612 v. Chr.) als Ereignis der Zukunft. Da dies in der Fachwissenschaft zumeist als echte Prophetie angesehen wird, entstand der Hauptteil des Prophetenbuches (Nah 2,4–3,19) vermutlich zwischen diesen Ereignissen. Da sich nach dem Tod des neuassyrischen Königs Assurbanipal im Jahr 626 v. Chr. der Zusammenbruch des Großreiches beschleunigte, ist die Entstehung des Schriftteils wohl in diesem Zeitraum zu datieren.[4]
Damit wäre Nahum ein Zeitgenosse von Zefanja, Habakuk[5] und Jeremia.[6]
Die Fortschreibungen lassen sich nur schwer datieren.[4]
Das Buch Nahum weist einen vielstufigen Entstehungsprozess auf, der mit Texten aus der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts v. Chr. beginnt und erst im 5. oder 4. Jahrhundert endet. Anhand der Überschrift (Nah 1,1 EU) lassen sich bereits verschiedene Redaktionsstufen unterscheiden:
Über den genauen Redaktionsprozess existieren in der Forschung verschiedene Thesen.[7]
Der masoretische Text des Nahumbuchs ist überwiegend gut überliefert und verständlich. Zu den schwierigen Stellen zählt v. a. Nah 1,10f EU. In Qumrantexten werden ebenfalls Ausschnitte des hebräischen Textes überliefert (4QpNah bzw. 4Q169; 4QXIIg bzw. 4Q82). Auch auf einer hebräischen Schriftrolle des Zwölfprophetenbuches aus dem Wādī Murabba‘āt finden sich weite Teile des biblischen Textes (Mur XII bzw. Mur88). Dazu wurden im Nachal Chever Fragmente einer griechischen Rolle des Zwölfprophetenbuches gefunden (8HevXII bzw. 8Hev1).[4]
Das Buch Nahum gliedert sich wie folgt:[7]
Verse | Inhalt | Besonderheiten | |
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1,1 | Überschrift | Zweigliedrig | |
1,2–8 | Theophaniepsalm | Alphabetischer Hymnus (כ–א)
Konzentrische Struktur:
| |
1,9–2,3 | Prophetische Disputationsrede gegen Juda und Assur/Ninive | Wechselnde Adressaten:
Juda und Ninive (1,9f) – Juda (1,11–13) – Assur (1,14) – Juda (2,1) – Ninive (2,2) – Juda (2,3) | |
2,4–3,19 | Dreifaches Gerichtswort gegen Ninive | Kräftige poetische Bilder, deren Bildwelt sich von 1,2–2,3 abhebt
jeder Unterabschnitt nennt einmal Ninive/Assur (2,9; 3,7; 3,18) die Unterabschnitte sind motivlich und strukturell miteinander verbunden | |
2,4–14 | Vernichtungsschilderung – Spottlied – Gottesspruch | ||
3,1–7 | Leichenklage – Gottesspruch – Spottlied | ||
3,8–19 | Ironischer Vergleich – Vernichtungsschilderung –Spottklage |
Die Prophetie des Nahumbuches kann als „Lehrstück zum Thema Gott und die Weltmacht“ verstanden werden. Sie zeigt das Handeln des Schöpfergottes in der Geschichte. Der Fall Ninive wird zum Paradigma des göttlichen Gerichts. Darin wird das Buch zum Zeugnis der Geschichtsmächtigkeit Gottes und zeigt seine Souveränität und Verfügungsgewalt gegenüber den Machthabern der Welt.[11] Hier zeigt sich auch der universalistische Zug, der meist der nachexilischen Theologie Israels zugeschrieben wird: JHWH setzt als Gott über die ganze Welt sein Recht durch – unabhängig von Nationalitäten. Dass die Gewalt, die Assur ausgeübt hat, sich nun gegen den Verursacher selbst wendet, ist von Gott gelenkt. Er ist derjenige, der Ninive zerstört.[4]
Im Weltgericht Gottes wird die gottgewollte Rechtsordnung in der Völkerwelt wiederhergestellt. Dabei sind „Zorn“ und „Rache“ (vgl. Nah 1,2–8 EU) als Rechtskategorien und nicht als Ausdruck eines rachsüchtigen, irrationalen Gottesbildes zu verstehen. Der Theophaniepsalm entfaltet eine entscheidende Dialektik: Der Gott der Rache für seine Feinde im Gegenüber zum rettenden Gott für alle, die seine Gemeinschaft suchen (vgl. auch Mt 25,31–46 EU). Auch die Bildwelt der Offenbarung ist in diesem Punkt vom Buch Nahum inspiriert.[12][4]
Dabei klingt unterschwellig die Frage an, warum die göttliche Vergeltung erst mit so deutlicher Verzögerung eintritt. Eine indirekte Antwort gibt der Psalm mit seinem Rückgriff auf Ex 34,7 EU bzw. Num 14,18 EU (Nah 1,3a EU), wo die unbedingte Strafgewissheit zugesichert wird.[4]
Assur baute zwischen 750 und 612 v. Chr. sein Weltreich gewaltsam aus und beutete die unterworfenen Kleinstaaten als Provinzen oder Vasallen aus. Die Gerichtsworte und Spottlieder über Ninive sind als Dokumente des Widerstandes entstanden und überliefert worden.[9]
In Qumran wurde das Buch im 1. Jahrhundert v. Chr. als Kampfschrift aktualisiert. Ninive wurde zum Synonym für die Pharisäer, No-Amon zum Symbol für die Saduzäer. Die Ankündigung ihrer Vernichtung ermutigte die Gemeinde. Ob diese Identifikation so zulässig ist, ist fraglich, jedoch wurde sie zum Trost in Blick auf die Souveränität Gottes, wie in Nah 1 EU notifiziert.[12]
Auch im Zusammenhang des Zwölfprophetenbuches ergeben sich neue Sinnlinien. Die in Nah 3,4–7 EU geschilderte sexuelle Gewalt gegen Ninive findet insbesondere in der Metapher der Hurerei am Beginn des Hoseabuches Parallelen. Im Zusammenklang mit dem Schluss unmittelbar vorhergehenden Michabuches ergibt sich ein zweiseitiges Gottesbild: Gottes Vergebungswille (Mi 7,18–20 EU) verbunden mit seinem Vergeltungswillen (Nah 1,3b–6 EU). Das Jonabuch beschreibt die Handlungsalternative Gottes: Wenn Ninive ihr Unrecht bereut, nimmt Gott Abstand von der angekündigten Vernichtung.[4]