Sohar

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Der Sohar – Titelseite des Erstdrucks 1558

Der Sohar (hebräisch הזוהר ספר Sēfer ha-sōhar, zu זֹהַר sohar, deutsch ‚Glanz‘; auch in der Schreibweise, vor allem englisch, Zohar) gilt als das bedeutendste Schriftwerk der Kabbala.[1] Der Name bedeutet „(strahlender) Glanz“ und geht zurück auf biblische Texte bei den Propheten Hesekiel (Ez 1,28 EU; Ez 8,2 EU) und Daniel (Dan 2,31 EU; Dan 12,3 EU).

Das in einem künstlich altertümlichen Aramäisch – wohl, um das Alter der Schrift zu beweisen –,[2] zu geringen Teilen in Hebräisch verfasste Werk der jüdischen Mystik.

Es enthält vor allem Kommentare zu Texten der Tora, dem Hohelied (hebräisch שִׁיר הַשִּׁירִים Šīr ha-Šīrīm), dem Buch Rut, (hebräisch מְגִלַּת רוּת Megillath Ruth) und den Klageliedern Jeremias, (hebräisch אֵיכָה 'êkâ).[3] Literarisch handelt es sich bei den Kommentaren um Schriftexegesen, homiletischen Meditationen, Erzählungen und Dialogen, aber auch Betrachtungen zur mythischen Kosmogonie und mystischen Psychologie.

Dies schließt, zusammenfassend und explizierend formuliert, Diskussionen um das „Wesen Gottes“, „Ursprung und Struktur des Universums“, „Natur der Seele“, „Erlösung“, die Beziehung zwischen „dem menschlichen Ego und dem Dunklen“, um das „wahre Selbst“ zum „Licht Gottes“ und zwischen „universeller Energie“ und dem einzelnen Menschen ein.

In seinem exegetischen Charakter kann der Sohar auch als esoterische Variante zum rabbinischen Midrasch eingeordnet werden. Er wird von einigen Fürsprechern daher auch als Midrasch des Shimon bar Jochai angesehen.[2]

Martin Goodman[4] sieht im Sohar eine „merkwürdige Mischung“ aus einer kaleidoskopartigen Anordnung von Materialien, wie „mythologischen Bildern“, „Dichtung“, Andeutungen zur „neoplatonischen sowie aristotelischer Philosophie“ mit des Weiteren „volkstümlichen Aberglauben“, „Theurgie“ und „mystischer Psychologie“.

Der Sohar ist eine Sammlung von Texten in zumeist fünf Bänden. Als Autor wird Schimon ben Jochai genannt, ein bedeutender Tannait des ersten bis zweiten Jahrhunderts, der auch die wichtigste handelnde Person ist und vom Propheten Elija den Auftrag bekommen haben soll, den Sohar zu schreiben. Er lebte unter römischer Besatzung.[5] Rabbi Schimon ben Jochai[6] gilt zwar historisch als „Vater der Kabbala“, seine tatsächliche Autorschaft für den Sohar ist jedoch vor allem aus sprachlichen Gründen fraglich, so dass von einem pseudepigraphischen Charakter der Schrift ausgegangen werden muss.

Der Sohar tauchte zuerst gegen Ende des 13. Jh. in Spanien auf (Herausgabe in Teilen zwischen 1280 und 1286). Um seine Herausgabe und Verbreitung hat sich der Kabbalist Mosche ben Schemtow de León verdient gemacht, der bis 1305 in Kastilien, zuletzt in Ávila lebte. Aufgrund literarischer, sprachlicher und quellentheoretischer Beobachtungen wurde de León historisch auch die Autorschaft des Sohar zugeschrieben. Dem Tagebuch des Kabbalisten Isaak ben Samuel aus Akko zufolge soll die Witwe von Mosche de León, Tami Musaphia Heni aus Tihama (um 1250–1305) zugegeben haben, dass der Sohar von ihrem Mann geschrieben worden sei; Isaak ben Samuel sprach jedoch nicht selbst mit der Witwe, sondern erzählt aus dritter Hand.[7]

Mosche de Leon reiste in Kastilien umher und freundete sich mit Josef ben Abraham Gikatilla an, letzterer war ein Anhänger der praktischen Mystik des Abraham Abulafias.[8]

Im Hinblick auf die Entstehungszeit und der literarischen Kontinuität von Texten jüdischer Mystik, und hier dem Sohar[9] im engeren Sinne, bestehen unterschiedliche Ansichten und Intentionen zwischen den jüdischen bzw. kabbalistischen Traditionen und den Ergebnissen der akademischen, wissenschaftlichen Forschung. In der Literaturwissenschaft und Judaistik wird die Ansicht präferiert, der Autor des Sohars sei Mosche de Leon aus dem 13. Jahrhundert gewesen. Hingegen bleibt im orthodoxen Judentum Rabbi Schimon ben Jochai weiterhin der Autor des Sohars.[10]

Einem traditionellen Narrativ folgend, sei der Sohar im zweiten Jahrhundert von Rabbi Schimon ben Jochai geschrieben worden, als er sich mit seinem Sohn Eleasar, dreizehn Jahre in einer Höhle im Norden Israels versteckte.[11] Das Manuskript verschwand dann aus der Geschichte, um ein Jahrtausend später in den Händen von Rabbi Mosche de Leon wieder aufzutauchen.

Im Sohar finden sich Hinweise auf historische Ereignisse (wie die Kreuzzüge in Sohar II, 32a und III, 212b), hebräische Rechtschreibkonventionen (z. B. Sohar I 24b, III 65a), spanische Wörter (z. B. Esnoga für ‚Synagoge‘) und Namen von Rabbinern (z. B. Rav Hamnuna Sava, Rav Yeva Sava, Rabbi Hezekiah ben Rabbi Manoah usw.), die alle aus der Zeit nach Rabbi Schimon ben Jochai zu stammen scheinen.[12] Daniel C. Matt Übersetzer und Editor des Sohar in das Englische verwies darauf, dass die Aramäische Sprache etliche erfundene Wörter aufweist und gelegentlich ein spanischer Begriff oder Hinweise auf mittelalterliche Ereignisse oder Persönlichkeiten zeigt.[13]

Der Verfasser der zentralen Abhandlung des Sohar schuf ein Aramäisch, das nur im Sohar aufzufinden ist. So wurden neue Worte und grammatische Formen erschaffen. Weitere Beispiele sind der Anachronismus der im Sohar gemeinsam auftretenden Personen, die geschriebenen hebräischen Vokalzeichen, die verwendete Begrifflichkeit gibt Hinweise auf die Einflüsse der mittelalterlichen jüdischen Philosophie, das Aramäisch kann als ein Kunstprodukt verstanden werden, mit etlichen eigenwilligen Neologismen.[14] Offen bleibt in der wissenschaftlichen Diskussion, inwieweit Rabbi Mosche de Leon, auf ältere im zur Verfügung stehende Texte zurückgegriffen hat.[15]

Nach Joseph Dan[16] schrieb der Autor oder Redaktor das Werk den rabbinischen Gelehrten der Antike zu, um damit eine Erzählhandlung zu erschaffen, die sich in einer anderen Zeit und einem anderen Ort zu getragen haben soll.

Der Autor oder Redaktor[17] des Sohar de Leon, zeigt in seinem Werk keinen direkten Einfluss des antiken Philosophen Plotin[18], weder aus dessen Werken, noch aus seinen Philosophemen, auch finden sich aus dem Umfeld des Neuplatonismus keine direkten Zitate oder andere expliziten Beziehungen, dennoch enthält der Sohar viele Konzepte, die stark mit neuplatonischen Ideen übereinstimmen. Es gibt Anhaltspunkte, dass de Leon von jüdischen Philosophen und Mystikern beeinflusst wurde, die wiederum durch die spätantike Philosophie, einschließlich des Neuplatonismus geprägt waren.[19][20]

Nach seinen eigenen Worten hat der Sohar zum Ziel, Jisrael durch und aus dem Exil zu helfen.[21]

Der Sohar versucht das Wesen Gottes zu erfassen und dieses dem Menschen mitzuteilen. Da Gott verborgen ist, kann dies nur in höchst spekulativer und kontemplativer, nicht in beschreibender oder lehrhafter Form geschehen. Dabei steht immer die Auslegung der Tora, als wesentliches religiöses Fundament, im Vordergrund. Der Sohar erkennt für die biblische Exegese vier Stufen des Verständnisses, vom unmittelbar Wörtlichen zum Mystischen:[22]

  1. der wortwörtliche Text (Literalsinn, hebräisch פשט pschat)
  2. die übertragene Bedeutung (Allegorie, hebräisch רמז remez)
  3. die Bedeutung im Leben (Auslegung, Auskunft, hebräisch דרוש drasch)
  4. die mystische Bedeutung (Geheimnis, hebräisch סוד sod)

Die Anfangsbuchstaben dieser vier hebräischen Wörter bilden den Begriff PaRDeS (‚Obstgarten‘, verwandt mit dem deutschen Wort Paradies), wodurch der Sinn des Schriftstudiums angedeutet wird als Gang durch einen blühenden Garten. Dieser Gang wird auch interpretiert als geistiger Gang durch die verschiedenen Hallen des jüdischen Tempels.

Der Sohar nimmt die kabbalistischen Vorstellungen der zehn Sefiroth auf als Sphären der Manifestation Gottes. Als letzter Ausdruck göttlichen Seins wird darüber das Unendliche (hebr. En Sof) erkannt. Aus dem En Sof hat sich das Sein wie aus einem einzigen Punkt zu den vielen Erscheinungen der Welt ausgefächert.

In der Ethik vertritt der Sohar als höchsten Wert die tätige Liebe zu Gott (hebr. דְבֵקוּת Debekut), die sich auch in der sozialen Hinwendung zum Mitmenschen äußert. Daneben vertritt der Sohar ein starkes Armutsideal. Der gerechte Mensch (hebr. Tzaddik) ist sowohl ein Tora-Gelehrter und Gottsucher, als auch der Wohltäter, der seine eigenen Bedürfnisse hinter die Sorge für den Nächsten radikal zurückstellt.

Der Sohar ist laut Johann Maier, verglichen mit dem „vergleichsweise klar formulierte[n] und geradezu didaktisch aufgebaute[n] Hauptwerk“ Josef Gikatillas Scha’are Orah, weniger durchorganisiert und sprachlich und inhaltlich weit schwieriger, gehört aber noch zu den Texten, die „vergleichsweise verständlich geschrieben sind und auch in Übersetzung noch verständlich bleiben, was für kabbalistische Literatur ansonsten durchaus nicht selbstverständlich ist“.[23] Nach Bernhard J. Bamberger ist der Sohar „das Werk eines Genies, aber er ist schwierig zu charakterisieren. Sein Inhalt reicht vom Erhabenen zum Grotesken, vom Tiefen zum Einfältigen und einfach Unverständlichen. Er enthält brilliant-originelle Interpretationen der Schrift, wunderbare Formulierungen und Gleichnisse sowie phantastische Mythen. In dieser oder jener Form behandelt er alle Probleme und Interessen der Kabbala.“[24]

Der Gesamtbestand der Vielzahl der Abhandlungen die den Sohar konstituieren wurde erstmalig 1558 und 1560 in drei Bänden in Mantua gedruckt. Es folgte eine elfbändige Ausgabe zwischenzeitlich 1559 in Cremona.[25]

Gershom Scholem[26], betrachtet den Korpus des Sohar aus drei Schichten aufgebaut bzw. entstanden. Im Wesentlichen bestimmt er diese, als:

  • Midrash ha-neʿelam, hebräisch מִדְרָשׁ הַנֶעֱלָם („Dem mystischen oder verborgenen Midrasch“)
  • den Hauptteil mit dem Idrot hebräisch אידרוט, Sitre Tora und zusätzlichen kleineren Schriften
  • Raja Mehemna und die Tikkune Sohar.

Während der Autor der dritten Schicht die beiden darüberliegenden Schichten abgeschlossen vorfand, so werden Inhalte daraus zitiert, sind mutmaßlich die beiden ersten Schichten von einem Autor.

Inhaltliche Themen

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Nach Gershom Scholem wird der Begriff der „Sefiroth“ im Sohar nicht immer direkt verwendet oder in seiner klassischen Form explizit erklärt. Stattdessen gibt ihn der Text umschrieben und durch synonyme Begriffe oder metaphorische Darstellungen ersetzt wieder. Scholem betont, dass im Sohar die kabbalistische Symbolik häufig poetisch und indirekt auftaucht, und dass der Begriff der „Sefiroth“ häufig durch Begriffe, wie etwa ‚Bereiche‘, ‚Kräfte‘, ‚Seiten‘, ‚Lichter‘, ‚Kräfte‘, ‚Essenzen‘ oder ‚Namen Gottes‘, erscheinen.[27] Die „Autoren“ des Sohar tendierten dazu, die Sefiroth als „dynamische Kräfte“ zu verstehen, die in einem ständigen Prozess von Ausstrahlung und Rückkehr miteinander verbunden sind, und vermieden dabei eine festgelegte (namentliche) Kategorisierung.

Bedeutung, Rezensionen und Editionen

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Schon bald nach seiner Entstehung hat der Sohar eine außergewöhnliche Bedeutung zuerst unter Kabbalisten, dann auch im Judentum allgemein gewonnen, wobei jedoch die übrigen kabbalistischen Schriften „in den Hintergrund gedrängt“ wurden und teils verloren gingen.[28] Seine Verbreitung nahm insbesondere nach der Vertreibung der Juden aus Spanien (1492) stark zu. Vor allem für die chassidische Tradition im osteuropäischen Judentum erlangte der Sohar geradezu kanonisches Ansehen.

Auch unter christlichen Gelehrten hat der Sohar einige Resonanz hervorgerufen, insbesondere in der Neuzeit durch die lateinische Übersetzung im zweiten Teil von Christian Knorr von Rosenroths Kabbala denudata.[2] Die spekulative Kraft seiner Sprache hat sogar dazu geführt, thematische Verbindungslinien zur christlichen Lehre zu ziehen bis hin zu Ähnlichkeiten im Wesen des dreifaltigen Gottes. Andererseits wird auch der Sohar Elemente eines esoterischen Christentums im Südeuropa des 12. Jhdts. integriert haben, so dass eine klare Bewertung von Ursachen und Wirkungen schwerfällt. Grundsätzlich zeigen sich in mystischen Traditionen die stärksten und fruchtbarsten Verbindungen zwischen den Religionen.

Die modernen Übersetzungen (Stand 1995) decken nicht die Gesamtheit des Sohar ab und „lassen sehr zu wünschen übrig“. Am besten steht es laut Maier mit englischen Übertragungen, „während die französische von de Pauly kaum brauchbar ist“.[2] Jean de Paulys verfälschte Sohar-Übersetzung und die darauf zurückgehenden Fehler in Arthur Edward Waites The Secret Doctrine in Israel hatte auch Gershom Scholem kritisiert.[29] Im Jahre 1995 wurde Daniel Chanan Matt von der Familie Pritzker aus Chicago angesprochen und eingeladen, das Projekt einer kommentierten englischen Übersetzung des Sohar zu übernehmen.[30] 2002 startete der Verlag Stanford University Press die ambitionierte Initiative, eine 12-bändige Übersetzung des Grundlagenwerks der jüdischen Mystik, des Sohars, zu veröffentlichen.[31][32]

Aufbau des Korpus

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Nach Joseph Dan[33] handelt es sich um eine Vielzahl von Abhandlungen die den Textkorpus konstituieren, hier eine Übersicht:

  • Einem titellosen Hauptteil, er bildet das Zentrum und besteht aus einem in Aramäisch geschriebenen homiletischen Kommentar zu den fünf Büchern der Tora. Obgleich ein Midraschim im Allgemeinen nicht auf Aramäisch geschrieben wurde, wirkt der zentrale Abschnitt wie ein Midrasch.
  • Weitere Abhandlungen:
    • der Midrasch ha-Ne´elam in hebräischer Sprache verfasst;
    • ein Abschnitt zur Erörterung der Mitzwot;
    • weitere Abschnitte, so die Offenbarungen eines wundersamen alten Mannes (sava) und eines Jungen (jenuka);
    • stark esoterische Abschnitte, tragen die Überschrift Idra Rabba (die große Versammlung) und Idra Suta (die kleine Versammlung)

Ein weiterer späterer Autor der in Stil und Sprache von de Leon schrieb, fügte zu Beginn des 14. Jahrhunderts zwei weitere Werke hinzu:

    • Ra´ja Mehemma (der treue Hirte, hier Moses)
    • Tikkune Sohar (Vollendung des Sohar)

Ein fünfter Band der zu den Abhandlungen ist der:

    • Sohar Chadasch (der neue Sohar)

Die fünf Bände des Sohar bestehen also genauer aus folgenden Teilen:

  • Sohar (Hauptteil, Kommentar zur Tora gemäß den Abschnitten der synagogalen Wochenlesungen)
  • Sifra di-Tzeniutha (‚Buch der Verborgenheit‘, ein dunkler Kommentar zu den ersten 6 Kapiteln des 1. Buchs Mose)
  • Idra Rabba (‚Große Versammlung‘, ekstatische Vorträge des Schimon ben Jochai und seiner Schüler zu Themen der Schöpfung)
  • Idra Sutta (‚Kleine Versammlung‘, Erzählung vom Tode Schimon ben Jochais und seiner Vermächtnisrede)
  • Hechalot (‚Hallen‘, Beschreibung der Hallen des Tempels, die von den Seelen der Frommen durchschritten werden)
  • Rasa de-Rasin (‚Das Geheimnis der Geheimnisse‘, Abhandlungen über die Verbindung von Seele und Körper)
  • Saba (‚Der Greis‘, Erkenntnisse eines greisen Kabbalisten über die Seele und die Seelenwanderung)
  • Jenuka (‚Das Kind‘, Erkenntnisse eines Wunderkindes über die Tora)
  • Rab Methibtha (‚Das Haupt der Schule‘, Visionärer Gang durch das Paradies mit Betrachtungen über das Schicksal der Seelen)
  • Sitre Tora (‚Geheimnisse der Tora‘, Deutungen verschiedener Abschnitte der Tora)
  • Matnitin (Auslegungen zur Tora im Stil der Mischna).
  • Sohar zum Hohenlied
  • Kaw ha-Midda (‚Das Maß des Maßes‘, Auslegungen zum Schma Jisrael, einem der Hauptgebete des Judentums)
  • Sitre Otiot (‚Geheimnisse der Zeichen‘, Deutungen zu den Buchstaben des Gottesnamens und des Textes der Schöpfungsgeschichte)
  • Midrasch ha-ne'elam zur Tora (mystischer Kommentar zur Tora)
  • Midrasch ha-ne'elam zum Buch Rut
  • Ra'ja Mehemna (‚Der treue Hirte‘, Deutung der Gebote und Verbote der Tora)
  • Tikkune Sohar (‚Vollendung des Sohar‘, ein weiterer Kommentar zu den ersten sechs Kapiteln der Tora)[34][35]

Vom Hauptteil umschlossenes „Messianisches Epos“

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Gelehrte wie Gershom Scholem und Isaiah Tishby hatten im Sohar anders als in der lurianischen Kabbala keine messianische Thematik gefunden. Yehuda Liebes hingegen meinte, in den Idrot messianische Ereignisse erkennen zu können.[36] Gängig war es bis dahin, den erzählerischen Rahmen mit Berichten über die Treffen von zehn Mystikern und ihren Austausch über die Geheimlehren der Kabbala als Mittel für das Zusammenbinden der homiletischen Midraschim und Einzeltraditionen zu sehen.[37] Liebes legte jedoch dar, dass die in die Idra Rabba und Idra Sutta eingeflochtenen Reden nicht bedeutender waren als die Erzählung selbst.[38] Die neuere Forschung, wie jene von Ronit Meros, geht davon aus, dass die Entstehung des Gesamt-Sohar sich auf den Zeitraum von 1370 bis 1410 erstreckte und die Arbeit von literarischen Lehrer- und Schüler-Generationen sich in fünf unterscheidbaren „Schichten“[39] niederschlug. Davon die letzte, die „epische Schicht“, unterwarf die Gesamtredaktion des Sohar zum Schluss ebenso wie die anderen literarischen Gattungen der vollständigen Form eines Midrasch und entledigte sie damit ihrer Originaldynamik und Struktur insgesamt. Der Weg zum Verständnis führt daher nach Meroz über ein Separieren der Schichten und der Betrachtung im Einzelnen.[40] Eine derartige Schicht lässt sich bilden, indem alle in sich abgeschlossenen, homiletische Midraschim enthaltende Erzählungen herausgefischt werden, in denen die Helden der Zehnergruppe um Schimon ben Jochai angehören.[38] Wiederum zusammengesetzt, ergeben diese „Szenen“ ein „Messianisches Epos“, ein Drama mit folgenden drei Akten:

  1. Bericht über das Entstehen einer Bruderschaft, der zuerst ein Rabbi Pinchas ben Jair vorsteht. Als gleichrangig betrachtet er aber Schimon ben Jochai, den die römische Religionsverfolgung zu einem dreizehnjährigen Aufenthalt in einer Höhle zwingt, die Zeit seiner Vollendung. Ihm wird die Führerrolle zugeteilt, sie festigt sich, und eine in diesem Zusammenhang genannte Feuersäule von der Erde bis zum Himmel kann als Zeichen für das Herannahen des Messias gewertet werden.
  2. Zwischen dem Auszug des Schimon ben Jochai aus der Höhle und dessen Sterben in Ekstase liegt die Zeit seiner Leitung der Bruderschaft. Er vollbringt zahlreiche Wunder und kosmische Tikkunim (Strukturierungen), bleibt aber der leidende Messias, befleckt und in Niedrigkeit, damit aber auch identifizierbar mit der Schechina.
  3. Zuletzt setzt sich die verstört zurückgebliebene Bruderschaft mit dem Tod ihres Meisters auseinander. Dessen Mission scheint noch nicht erfüllt, und so wird Rabbi Schimon selbst als Messias zurückerwartet.[41]
  • Englische Ausgabe und Übersetzung: Yehuda Ashlag, Michael Berg (Hrsg.): Zohar : First ever unabridged English translation with commentary. 23 Bände. Kabbalah Publishing, New York 1993, ISBN 1-57189-239-7 (englisch und aramäisch-hebräisch). Weitere Ausgabe: Kabbalah Learning Center, 2001, ISBN 1-57189-199-4.
  • Englische Übersetzung: The Zohar. Übersetzt von Daniel C. Matt. Pritzker Edition. Band 1. Stanford University Press, Stanford 2004, ISBN 0-8047-4747-4.
  • Gerold Necker: Der Sohar – Das heilige Buch der Kabbala. Marix, Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-86539-336-4.
  • Gershom Scholem: Der Sohar I + II. In: ders.: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen. Suhrkamp, Frankfurt 1980, ISBN 3-518-07930-1, S. 171–266.
  • Karl Erich Grözinger: Jüdisches Denken. Theologie – Philosophie – Mystik. Band 2: Von der mittelalterlichen Kabbala zum Hasidismus. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, ISBN 3-593-37513-3, S. 463–618.
  • Ronit Meroz: Der Aufbau des Buches Sohar. S. 16–36 In: Nathanael Riemer (Hrsg.): PaRDeS. Zeitschrift der Vereinigung für Jüdische Studien e. V., im Auftrag der Vereinigung für Jüdische Studien e. V. Universitätsverlag Potsdam (2005) Heft 11, ISSN 1614-6492, auf publishup.uni-potsdam.de [13]
  • Ephraim Gottlieb: Maamare ha-Matnitin weha-Tossefta scheba-Sohar. (Übersetzung aus dem Hebräischen: ‚Die Texte ‘Mischna’ und ‘Tossefta’ im Sohar‘). In: Joseph Hacker (Hrsg.): Mechqarim be-Sifrut ha-Sohar. (‚Studien zur soharischen Literatur‘), Tel Aviv 1976, S. 163–214
Commons: Sohar – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Dokumentationen

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  1. Gershom Scholem, Melila Hellner-Eshed: Zohar. In: Michael Berenbaum, Fred Skolnik (Hrsg.): Encyclopaedia Judaica. 2. Auflage. Vol. 21, Macmillan Reference, Detroit 2007, S. 647–664. (Gale Virtual Reference Library. Gale)
  2. a b c d Johann Maier: Die Kabbalah. Einführung – Klassische Texte – Erläuterungen. Verlag C.H. Beck, München 1995, ISBN 3-406-39659-3, S. 13 f.
  3. Kurt Wilhelm (Hrsg.): Jüdischer Glaube. Eine Auswahl aus zwei Jahrtausenden. (Lizenzausgabe des Originals Deutsche Buch-Gemeinschaft, Berlin 1961) Schibli-Doppler, Birslfelden-Basel 1976, S. 207
  4. Martin Goodman: Die Geschichte des Judentums. Glaube, Kult, Gesellschaft. Klett-Cotta, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-608-96469-1, S. 465
  5. Joseph Jacobs, Isaac Broydé: Zohar. In: Jewish Encyclopedia. Funk & Wagnalls Company.
  6. Kaufmann Kohler, Max Seligsohn: Simeon ben Yoḥai. Jewish Encyclopedia, auf jewishencyclopedia.com [1]
  7. Gershom Scholem: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen (= suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft. Band 330). 1. Auflage. suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1980, S. 174, 204–223 (englisch: Major Trends in Jewish Mysticism. Übersetzt von Gershom Scholem und Nettie Katzenstein-Sutro).
  8. Martin Goodman: Die Geschichte des Judentums. Glaube, Kult, Gesellschaft. Klett-Cotta, Stuttgart 2020, ISBN 978-3-608-96469-1, S. 468
  9. Joseph Jacobs, Isaac Broydé: Zohar (called also in the earlier literature Midrash ha-Zohar and Midrash de-Rabbi Shim'on ben Yoḥai). Jewish Encyclopedia, auf jewishencyclopedia.com [2]
  10. Rabbi Shimon bar Yochai. Ancient Jewish History, auf jewishhistory.org [3]
  11. Shraga Simmons: Lag BaOmer. Zwölf Jahre in der Höhle. 12. Mai 2014, Jüdische Allgemeine, auf juedische-allgemeine.de [4]
  12. On the Origins and Authenticity of Zohar. Jewish Belief Reimagined, auf jewishbelief.com [5]
  13. David Ian Miller: Kabbalah scholar Daniel Matt takes the mysticism back to the Aramaic. Finding my Religion, Special to SF Gate (San Francisco Bay Area news), Sep 6, 2005, auf [6]
  14. Karl Erich Grözinger: Jüdisches Denken. Von der mittelalterlichen Kabbala zum Hasidismus. Band 2, WTB, Darmstadt 2005, ISBN 3-593-37513-3, S. 468
  15. Ronit Meroz: Der Aufbau des Buches Sohar. Journal PaRDeS; Zeitschrift der Vereinigung für Jüdische Studien, 2005, S. 3–13, Textauszug auf publishup.uni-potsdam.de [7]
  16. Joseph Dan: Die Kabbala. Eine kleine Einführung. (RUB 18451), Philipp Reclam, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-15-018451-6, S. 55
  17. Gershom Scholem: Die Geheimnisse der Schöpfung. Ein Kapitel aus dem kabbalistischen Buche Sohar. Jüdischer Verlag, Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-633-24180-4, S. 13–22
  18. Michael Erler: Plotin. Eine Einführung in den „Neuplatonismus“. SS 2015, auf philosophie.uni-wuppertal.de [8]
  19. Lenn E. Goodman: Neoplatonism and Jewish thought.(= Band 7 Studies in Neoplatonism), State University of New York Press, New York 1992, ISBN 0-7914-1339-X, S. 305; 361
  20. Joshua Abelson: Jewish Mysticism: An Introduction to the Kabbalah. Dover Publications, Mineola (New York) 2001, ISBN 978-0-486-41996-1, S. 156
  21. „And because Yisrael will in the future taste from the Tree of Life, which is this book of the Zohar, they will go out, with it, from Exile, in a merciful manner.“ – Zohar, Vol. 3, 124b, Ra`aya Meheimna. u. a.
  22. Joseph Jacobs, Isaac Broydé: Zohar. In: Jewish Encyclopedia. Funk & Wagnalls Company.
  23. Johann Maier: Die Kabbalah. Einführung – Klassische Texte – Erläuterungen. Verlag C.H. Beck, München 1995, ISBN 3-406-39659-3, S. 12 f.
  24. Bernhard J. Bamberger: Von Maimonides bis zur Kabbala; in Frederick R. Lachmann: Die jüdische Religion, Aloys Henn Verlag, Kastellaun, 1977, ISBN 3-450-11907-9, S. 140
  25. Joseph Dan: Die Kabbala. Eine kleine Einführung. (RUB 18451), Philipp Reclam, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-15-018451-6, S. 53
  26. Gershom Scholem: Die Geheimnisse der Schöpfung. Ein Kapitel aus dem kabbalistischen Buche Sohar. Jüdischer Verlag, Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-633-24180-4
  27. Gershom Scholem: Die Geheimnisse der Schöpfung. Ein Kapitel aus dem kabbalistischen Buche Sohar. Jüdischer Verlag, Frankfurt am Main 2018, ISBN 978-3-633-24180-4, S. 32
  28. Johann Maier: Die Kabbalah. Einführung – Klassische Texte – Erläuterungen. Verlag C.H. Beck, München 1995, ISBN 3-406-39659-3, S. 15.
  29. Gershom Scholem: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen (= suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft. Band 330). 1. Auflage. suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1980, S. 232, 419 (englisch: Major Trends in Jewish Mysticism. Übersetzt von Gershom Scholem und Nettie Katzenstein-Sutro).
  30. Alan Brill: Interview with Daniel C. Matt – translator of the Pritzker edition of the Zohar. March 17, 2016, The Book of Doctrines and Opinions: notes on Jewish theology and spirituality, auf kavvanah.blog [9]
  31. Daniel C. Matt: A New-Ancient Zohar. On translating the Zohar’s poetic and unruly Aramaic, while staying true to the text’s original ambiguity. 22. Mai 2018 in Jewish Studies, auf stanfordpress.typepad.com [10]
  32. Daniel Matt. Biography, auf counterbalance.org [11]
  33. Joseph Dan: Die Kabbala. Eine kleine Einführung. (RUB 18451), Philipp Reclam, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-15-018451-6, S. 53–54
  34. Gershom Scholem, Melilla Hellner-Eshed: The Zohar and Kabbalah. , In: Michael Berenbaum, Fred Skolnik (Hrsg.): Encyclopaedia Judaica. Vol. 21. 2nd ed., Macmillan Reference USA, Detroit 2007, S. 647–664, auf jewishvirtuallibrary.org [12]
  35. Karl Erich Grözinger: Jüdisches Denken. Von der mittelalterlichen Kabbala zum Hasidismus. Band 2, WTB, Darmstadt 2005, ISBN 3-593-37513-3, S. 469–472
  36. Karl Erich Grözinger: Jüdisches Denken. Band 2, 2005, S. 520.
  37. K. E. Grözinger: Jüdisches Denken. Band 2, 2005, S. 509.
  38. a b K. E. Grözinger: Jüdisches Denken. Band 2, 2005, S. 510.
  39. Ronit Meroz: Mivnehu schel Sefer ha-Sohar. Vortrag auf dem 12. Weltkongress für Jüdische Studien, 1997. Zitiert nach K. E. Grözinger: Jüdisches Denken. Band 2, 2005, S. 474.
  40. K. E. Grözinger: Jüdisches Denken. Band 2, 2005, S. 475.
  41. K. E. Grözinger: Jüdisches Denken. Band 2, 2005, S. 511 f.



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