Tono-Bungay ist ein 1909 erschienener utopischer Roman mit sozialkritischem Hintergrund des britischen Schriftstellers H. G. Wells.
Der Onkel des Ich-Erzählers stellt in seiner Dorf-Apotheke ein Wundermittel namens Tono-Bungay her, das gegen alles und jedes helfen soll, aber tatsächlich nichts bewirkt. Durch geschickte und reißerische Werbung in großem Stil, unter Ausnutzung der damals modernsten Möglichkeiten, wird die Arznei zu einem Verkaufsschlager und macht ihren Erfinder George Ponderevo reich. Er beginnt mit seinem Vermögen zu jonglieren, kauft und verkauft ganze Firmenimperien und spekuliert in großem Stil. Die gesamten Transaktionen sind jedoch mit fremdem Geld, Krediten, Wechseln und Aktienoptionen finanziert. Als die Blase platzt, stürzt die Welt in eine Wirtschaftskrise. Ponderevo flüchtet vor den Gläubigern mit dem gerade von seinem Neffen erfundenen lenkbaren Ballon nach Frankreich und stirbt in einem Dorf an der Biskaya.
Der Autor sieht mit seltener Klarheit die Weltwirtschaftskrise von 1929 voraus. In dem Roman wird Kritik geübt an Adel und Geistlichkeit, aber auch an sozialistischen „Schwätzern“, deren Aktivitäten sich im Verbalismus verlieren. Die Handlung ist, trotz einiger Längen, überraschend modern, sie nimmt die Auswirkungen des ungebremsten Kapitalismus vorweg und lässt in einigen Passagen an die Argumentation anlässlich der Heuschreckendebatte im deutschen Bundestag denken. Was den Lebensweg des Ich-Erzählers anbelangt, trägt der Roman auch autobiografische Züge, Wells war selbst Apothekerlehrling in einer Kleinstadt, seine Mutter Wirtschafterin in einem Herrenhaus.
„Zivilisation ist nur durch Vertrauen möglich, ebenso der Umstand, dass wir unser Geld zur Bank bringen und unbewaffnet durch die Straßen gehen können. Die Bankreserven oder ein Ordnung haltender Polizist in einem Massengedränge sind ein unverschämter Bluff. Die daran geknüpften Erwartungen könnten nicht einen Augenblick lang erfüllt werden, wenn auch nur ein Viertel davon eingefordert würde. Die ganze moderne Investitionstätigkeit ist aus dem Stoff, aus dem die Träume sind. Eine Menge Leute schwitzt und plagt sich, große Eisenbahnnetze entstehen, Städte erheben sich zum Himmel, Bergwerke werden eröffnet, Handelshäuser sind eifrig tätig, Schiffe kreuzen auf dem Meer, Länder werden besiedelt und über der geschäftigen, sich plagenden Welt schweben die reichen Geldgeber, kontrollieren alles, genießen alles, vertrauensvoll und ein Vertrauen schaffend, das alle zu einer zwar widerstrebenden aber unterbewusst verankerten Bruderschaft zusammenschweißt. [...]
Die Fahnen flattern, die Menge klatscht Beifall, die gesetzgebenden Körperschaften treten zusammen. Doch finde ich zuweilen, dass diese ganze geschäftige Zivilisation nun wirklich nicht viel anders ist als eine schwellende, immer dünner werdende Blase aus Verheißungen. Und ich finde, dass ihre Arithmetik ebenso ungesund, ihre Dividende so unüberlegt, ihr endgültiges Ziel ebenso unklar ist, dass vielleicht alles auf etwas seiner [des Onkels des Erzählers] persönlichen Katastrophe erschreckend Ähnliches zutreibt.“
H. G. Wells: Tono-Bungay, Ullstein-Verlag, Frankfurt/M. – Berlin – Wien 1983, ISBN 3-548-20259-4