Viannos (griechischΒιάννος (f. sg.)) ist eine Gemeinde (Δήμος, Dimos) im Südosten des Regionalbezirks Iraklio der Region Kreta auf der gleichnamigen griechischen Mittelmeerinsel Kreta. Namensgebend für die Gemeinde und deren Gemeindesitz ist Ano Viannos mit 908 Einwohnern, davon 694 Einwohner im eigentlichen Dorf. Der Ort liegt etwa fünf Kilometer von der Südküste entfernt im Inselinneren. Als Gemeinde hat Viannos 4.436 Einwohner (Stand 2021[1]).
Während des Zweiten Weltkriegs wurden im September 1943 über 400 Männer, Frauen und Kinder von Viannos und der umliegenden Dörfer durch die Deutsche Wehrmacht ermordet oder hingerichtet und der Ortsteil Ano Viannos sowie mehrere umliegende Dörfer niedergebrannt (Massaker von Viannos).
Viannos liegt an der südlichen Seite des Dikti-Gebirges, etwa 65 km südöstlich von Iraklio und 40 km von Ierapetra.
Das Gemeindegebiet, in dem zahlreiche in traditioneller Bauweise erhaltene Bauerndörfer gelegen sind, ist gebirgig, zu der wenig besiedelten Küste ziehen sich etliche Täler und Schluchten mit Bachläufen und üppiger Vegetation.
Das hauptsächliche landwirtschaftliche Produkt ist das Olivenöl. In den vergangenen Jahrzehnten hat vor allem in der Gegend von Arvi, Keratokambos, Faflangos, Psari Forada und Tertsa der Anbau von Bananen und Frühgemüse in Treibhauskulturen Bedeutung erlangt.
Der Tourismus spielt eine nicht völlig unbedeutende Rolle.
Auf dem Gemeindegebiet wurden an zahlreichen Orten Siedlungsspuren aus frühester Zeit aufgefunden. So wurden auf den Bergen Keratos und Kefala Chondrou frühminoische Siedlungsspuren aus dem 3. Jahrtausend vor Chr. festgestellt, bei Afrati Spuren aus der älteren minoischen Palastzeit, ein Heiligtum aus dem 9. bis 7. Jahrhundert vor Chr. und ein Palmenkapitell nach ägyptischem Vorbild aus dem 9. bis 7. Jahrhundert.[2]
Auch das Dorf Arvi weist eine ununterbrochene Siedlungsgeschichte seit frühminoischer Zeit auf.[3] Bei Kato Symi wurde das auf mehreren Terrassen errichtete Heiligtum bei Symi mit einer Kulttradition von mittelminoischer bis hellenistischer Zeit ausgegraben; in griechischer Zeit wurden hier Hermes und Aphrodite verehrt, wie durch Votivgaben belegt ist.[4]
Nach dem Tod von etwa zwölf Soldaten der deutschen Wehrmacht durch Partisanen bei Kato Symi wurden am 14. September 1943 auf Befehl von Friedrich-Wilhelm Müller, damals Kommandeur der 22. Infanterie-Division in Griechenland, über 400 Männer, Frauen und Kinder von Viannos und der umliegenden Dörfer ermordet oder hingerichtet und der Ortsteil Ano Viannos niedergebrannt sowie mehrere umliegende Dörfer vollständig zerstört.[5][6][7][8][9] Daran erinnert ein Mahnmal mit Kapelle, Gedenktafeln und Museum an der Hauptstraße zwischen Ano Viannos und Amiras (Αμιράς Ηρακλείου). Der Vorfall wird beispielsweise im Angelsächsischen und in Griechenland auch als „Holocaust von Viannos“ (Ολοκαύτωμα της ΒιάννουOlokáftoma tis Viánnou) bezeichnet.[10]
Das Mahnmal besteht aus an der rechten Seite stehenden Gedenktafeln, die die Namen der Getöteten zeigen[11]. Auf vier Steintafeln (griechisch, englisch, französisch und deutsch) kann man eingemeißelt ein Gedicht von Vasilis Rotas (1889–1977) lesen:
„Vorbeigehender Achtung - Hier unten befinden sich Leichen - Die nie betrogen haben –
Die nie gelogen haben - Die Tyrannen nie geachtet haben.
Vorbeigehender Achtung - Mit reinen Gedanken denke über sie - Und wenn Du dieses schöne Licht genießt - Und ohne Angst hier laufen kannt - Und wenn Du geliebt wirst - Und selber liebst - Und alles Gute das Du im Leben hast – Haben Dir diese Leichen geschenkt. V. Rotas“
Die Gemeinde Viannos wurde 1997 gebildet. Sie besteht aus 16 Dimotikes Kinotites, zu denen meist wiederum etliche Dörfer und Siedlungen gehören:
Dimotiki Kinotita Ano Viannos (Δημοτική Κοινότητα Άνω Βιάννου), 984 Einw.
Ano Viannos (Άνω Βιάννος), 774 Einw., am Südhang des Dikti in einer Höhe von 560 m am Rande einer von Olivenbäumen bestandenen gelegener Hauptort und Verwaltungssitz der Gemeinde, ein malerisch weißgetünchtes Dorf mit engen Gassen, in dem noch die kretische Tracht zu sehen ist.
Agia Moni (Αγία Μονή); in dem der Entschlafung der Gottesmutter (Κοίμηση της Θεοτόκου) geweihten Kloster leben noch zehn Mönche;
Agios Nikolaos (Άγιος Νικόλαος), unbewohnt
Kapsali (Καψάλη), 27 Einw.
Keratokambos (Κερατόκαμπος), 81 Einw., Küstenort mit Kiesstrand
Loutraki Viannou (Λουτράκι Βιάννου), 65 Einw., in 720 m Höhe, mit einer Kirche der Verkündigung Mariens
Monombouka (Μονομπούκα), 27 Einw.
Dimotiki Kinotita Agios Vasilios (Δημοτική Κοινότητα Αγίου Βασιλείου), 440 Einw.
Agios Vasilios (Αγίος Βασιλείος), 180 Einw.
Latomia Agiou Vasiliou (Λατόμια Αγίου Βασιλείου), 6 Einw.
Arvi (Άρβη), 362, Einw., 12 km unterhalb von Amiras am Ausgang einer Schlucht an der Küste gelegen, mit ausgedehnten Treibhauskulturen und langem Kiesstrand; oberhalb des Ortes liegt das Kloster Agios Antonios.
Dimotiki Kinotita Kato Viannos (Δημοτική Κοινότητα Κάτω Βιάννου), 115 Einw.
Kato Viannos (Κάτω Βιάννος), 108 Einw.
Kato Symi (Κάτω Σύμη), 107 Einw.; das Dorf wurde nach den Zerstörungen durch die deutsche Wehrmacht 1943 nur teilweise wieder aufgebaut; die Zerstörungen sind noch heute zu erkennen.
Der kretische Journalist und Romanautor Ioannis Kondilakis (1862–1920), dessen Erzählungen als Vorlage mehrerer Filme dienten, wurde in Ano Viannos geboren[12].
Ιωάννης Καλιτσουνάκης, Νίκος Καζαντζάκης, Ιωάννης Κακριδής, Κωνσταντίνος Κουτουλάκης: Έκθεση της Κεντρικής Επιτροπής Διαπιστώσεως Ωμοτήτων εν Κρήτη. 1945, herausgegeben von der Gemeinde Iraklio [Δήμος Ηρακλείου] 1983, S. 107, hier S. 44–54. PDF Online 20,7 MB (griechisch) Ioannis Kalitsounakis, Nikos Kazantzakis, Ioannis Kakridis, Konstantinos Koutoulakis: Bericht der Zentralkommission zur Feststellung von Gräueltaten auf Kreta. In: Nikolas Pissis, Dimitris Karydas (Hrsg.): Die »Neue Ordnung« in Griechenland 1941–1944. Edition Romiosini/CEMOG, Berlin 2020, ISBN 978-3-946142-82-9, S. 199–286, hier S. 229–237. Online, deutsche Übersetzung von Tobias Blümel, Eleni Paltoglou-Blümel
Δημήτριος Παπαγιαννάκης: Το ολοκαύτωμα της Βιάννου: Διαχείριση της μνήμης, πολιτισμικό τραύμα και διεκδικήσεις. MSc-Thesis, Fernuniversität Patras, Juni 2021, PDF Online 3,1 MB (griechisch)